Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
anderen Komparsen.
»Ja, ja, alles okay«, sagte ich aufrichtig. Ich hatte gerade eine ganz unglaubliche Erfahrung gemacht, denn obwohl ich Kates Verlust ganz akut spürte, machte ich mir klar, dass das Zittern meiner Hände genauso viel mit meiner Begeisterung wie mit allem anderen zu tun hatte. Ich wusste, dass Kate sich für mich gefreut hätte, und ich konnte es kaum erwarten, den Jungs von meinem Erlebnis zu erzählen.
»Warum hast du das gemacht?«, fragte Finn und sah mich ziemlich verdutzt an, als ich nach Hause kam und mein Abenteuer am Set beschrieb. »Warum konntest du nicht wieder bei einem Disneyfilm wie Narnia mitspielen?«
»Nun, ich konnte mir den Film nicht aussuchen«, sagte ich. »Ich hatte ganz viel Glück, dass ich überhaupt an diesem Film mitwirken durfte, und manchmal muss man die Gelegenheit beim Schopf packen, die sich einem bietet.«
»Wieso? Wie meinst du das?«
»Ich will damit sagen, Finn, dass man jede sich bietende Gelegenheit, etwas Aufregendes und Neues zu tun, nutzen sollte.«
»Immer?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.
»Äh, nicht immer«, sagte ich.
Da jetzt auch Reef zuhörte, nutzte ich die Gelegenheit.
»Wenn es sich um etwas Gefährliches handelt, wie etwa das Fahren eines Motorrads, dann nicht«, erklärte ich. »Mummy wollte nicht, dass ihr Motorrad oder Roller fahrt, weil es da leicht zu Unfällen kommt, vor allem auf der Straße. Keiner von uns möchte, dass ihr das tut. Aber Dinge, die keine Gefahr mit sich bringen, bei denen ihr weder euch selbst noch andere verletzen könnt, die solltet ihr immer annehmen. Das sorgt für Lebensfreude!«
Es klingt unglaublich, aber binnen einer Stunde bekam ich einen überraschenden Anruf von der örtlichen Presseagentur, dem South West News Service, die in der Vergangenheit bereits einige Geschichten über Reefs und Kates Krebserkrankung in Umlauf gebracht hatte. Sie wollten nun, da Finn zur Schule ging, einen »Folgeartikel« verfassen, um zu berichten, wie wir zu dritt als Familie klarkamen.
»Das halte ich für eine gute Idee«, sagte ich. Ich konnte wohl kaum nein sagen, nach allem, was ich gerade den Jungs erklärt hatte, obwohl ich mich natürlich schon fragte, ob das jetzt, so lange nach Kates Tod, noch jemanden interessierte.
»Ich könnte mit Ihnen vielleicht Kates Liste durchgehen und Ihnen sagen, was ich schon erledigt habe und was noch ansteht.«
Es folgte eine kurze Pause, ehe die Journalistin nachhakte: »Was ist denn Kates Liste?«
»Ach, wissen Sie, Kate hat eine Menge Sachen aufgeschrieben, die ich mit den Jungs machen soll, Persönliches, von dem sie wollte, dass die Jungs es erfahren, ein paar Regeln, die ich einhalten soll – ganz normale Wünsche einer Mutter. Alles fing damit an, dass ich sie fragte: ›Was ist, wenn du mich verlässt?‹ Als Antwort kam sie mit so vielen Dingen, dass ich ihr gesagt habe, sie soll sie lieber aufschreiben, damit ich sie nicht vergesse.«
Die darauffolgende Pause war noch länger, und ich fragte mich, ob es sich nicht ein wenig seltsam anhörte, von »normalen Wünschen einer Mutter« zu sprechen, denn was Kate widerfahren war, entsprach nun ganz und gar nicht der Normalität und war so traurig.
»Ich glaube auch, dass es eine gute Idee ist«, sagte die Reporterin lebhaft. »Das hört sich ja nach was ganz Besonderem an. Wann kann ich vorbeikommen?«
Am nächsten Tag gab ich ein langes Interview mit mehreren Pausen, weil ich beim Rekapitulieren der Ereignisse der vergangenen neun Monate immer wieder zusammenbrach. Ich gab der Reporterin eine Kopie von Kates Liste, die Christine netterweise für mich abgetippt hatte, zusammen mit meinem Einverständnis, sie zusammen mit dem Artikel zu veröffentlichen, der dann mit einer Auswahl von Familienfotos sowohl an die Lokalpresse als auch an die überregionalen Zeitungen verschickt werden würde.
»Wenn jemand ihn druckt, könnte ich die Geschichten in die Andenkenkisten packen«, sagte ich. »Aber wie gesagt, ich erwarte nicht zu viel. Denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich noch jemand für mich und Kate interessiert.«
Die Reporterin lächelte. »Sie werden überrascht sein«, sagte sie. »Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
Ein paar Tage später musste ich die Jungs impfen lassen, damit wir für Ägypten gerüstet waren. Ich war nicht begeistert davon. Das war wieder eine jener Aufgaben, die Kate und ich gemeinsam gemeistert hätten, sodass jeder sich um ein Kind kümmern konnte. Egal ob die Jungs zum
Weitere Kostenlose Bücher