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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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Zahnarzt oder sonst wohin mussten, wir tauchten immer als ganze Familie auf, um die Sache zu vereinfachen.
    »Ihr müsst jetzt wirklich brave Jungs sein«, erklärte ich Reef und Finn. »Ihr braucht diese Impfung, damit euch nichts passiert, wenn wir nach Ägypten fahren. Es könnte ein bisschen wehtun, aber es ist auch ganz schnell vorbei. Ich weiß, dass ihr beide das tapfer durchstehen werdet.«
    »Denk dran, Daddy, ich habe schon ganz viel Spritzen bekommen«, sagte Reef. Dabei lag ein leicht fragender Ton in seiner Stimme. »Ja, Reef, das habe ich nicht vergessen«, sagte ich und dachte mir dabei: »Wie könnte ich das je vergessen?«
    Reef legte seinen Arm um Finns Schulter. »Das ist nicht so schlimm, du wirst sehen, es ist gleich vorbei«, sagte er, wobei er ernsthaft nickte und seine Augen zusammenkniff.
    Zu meiner Erleichterung warteten bereits zwei Krankenschwestern in der Praxis auf uns. Die Jungs benötigten pro Arm eine Injektion, und wir hatten vor, jeweils bei einem Kind in beide Arme gleichzeitig zu spritzen. Trotz seiner heldenhaften Worte wirkte Reef nervös, weshalb Finn, hochtrabend wie immer, sich bereit erklärte, den Anfang zu machen. Er saß auf meinem Schoß und rollte tapfer seine Ärmel hoch, streckte beide Arme aus und gab sich dabei genauso selbstsicher wie bei seinem »Abklatschen« mit Mr Webber.
    Sekunden später, als die sehr effizienten Krankenschwestern ihren Job perfekt erledigt hatten, stieß Finn einen lauten Schrei aus und sah Reef entsetzt an.
    »Sie haben mir Nägel in die Arme gesteckt!«, jammerte er angewidert.
    Mit tränenüberströmtem Gesicht wandte er sich mir zu.
    »Es tut wirklich weh«, sagte er anklagend. »Es tut wirklich, wirklich weh, Reef. Sie werden dir Nägel in deine Arme stecken!«
    Finns kleines Gesicht spiegelte seine Entrüstung, und seine Reaktion war so dramatisch, dass ich Mühe hatte, nicht loszulachen. Dankenswerterweise hatte Reef kaum eine Chance, darauf einzugehen, denn die Krankenschwestern hatten ihm flugs seine Impfungen verabreicht, und die Qual war vorüber. Inzwischen lief Finn mit an den Körper gedrückten Armen herum und rieb sich die Oberarme, als wäre er von Zwanzigzentimeternägeln attackiert worden, während Reef, der zwar weiß wie ein Laken war, wenig überzeugend sagte: »Es war gar nicht so schlimm.« Kate hätte jetzt in ihre mütterliche Trickkiste gegriffen und ihre Arme heile geküsst, die richtigen Trostworte gefunden und mir zweifellos einen warnenden Blick zugeworfen, ja nicht zu lachen.
    »Kommt, Jungs«, sagte ich. »Ihr seid beide tapfere Jungs, das habt ihr gut gemacht. Jetzt zieht eure Pullover an und lasst uns gehen. Im Auto könnt ihr einen Kaugummi bekommen.«
    Ich war nicht Kate und konnte das, was sie getan hätte, nicht übernehmen. Es gibt einfach Dinge, die können Mütter besser als Väter, das musste ich akzeptieren, obwohl ich ein schlechtes Gewissen dabei hatte.
    Ich setzte mich ans Steuer, aber beide Jungs hatten wegen ihrer schmerzenden Arme Probleme, sich hinten in ihren Kindersitzen anzuschnallen. Sie wussten, wie das ging, weil ich es ihnen beigebracht hatte, und sie hatten es auch schon mehrere hundert Male getan.
    »Ich kann das nicht!«, schmollte Finn.
    »Daddy, das musst du machen«, jammerte Reef.
    »Nein, Jungs. So schwer ist das nicht. Das müsst ihr schon selbst tun«, erwiderte ich.
    Es wäre schneller gegangen, wenn ich ausgestiegen wäre und es für sie gemacht hätte, aber ich wollte ein Exempel statuieren. Sie waren jetzt vier und sechs Jahre alt und durchaus in der Lage, einen Sitzgurt zu befestigen, auch wenn die Arme ein bisschen wehtaten. Mir war es wichtig, sie zur Selbständigkeit zu erziehen, außerdem musste ich als Alleinerziehender dafür sorgen, dass sie so viel wie möglich selbst machten. Es dauerte geschlagene fünf Minuten, bis beide Gurtschnallen endlich eingerastet waren, doch als ich dann im Rückspiegel die sauren Mienen meiner Jungs sah, fragte ich mich, ob ich nicht doch ein wenig zu hart gewesen war.
    »So, meine Jungs, hier kriegt ihr euren Kaugummi«, verkündete ich fröhlich.
    Ihre Mienen hellten sich auf, aber ich selbst musste an ihren ersten Kaugummi denken, den sie bekamen, nachdem ich ihnen vom Tod ihrer Mummy erzählt hatte. Wie damals hatte Finn tränennasse Wangen, und der Duft des süßen Erdbeeraromas hing in der kalten feuchten Luft. Kummer mit Kaugummi zu behandeln kam mir plötzlich vor, als würde man auf einen Haibiss ein Pflaster kleben. Und

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