Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Stuntteam zusammenarbeiten.«
Ich folgte Petes Anweisungen und ging zu einer gesonderten Abteilung, wo ich mit einer flachen Kappe, genagelten Stiefeln, einem weiten Mantel und einer schwarze Weste ausgestattet wurde, die zum Glück gut passte und meiner Rolle gerecht wurde. Ich konnte es gar nicht erwarten, auf den Set zu kommen.
Castle Combe war umgeben von Nebelmaschinen, sodass vom Dorf nichts zu sehen war, wenn man vor den Kostümhangars stand. Mehrere Kontrollpunkte später wurde mir schließlich durch das letzte von Nebelschwaden verhangene Sicherheitstor Einlass gewährt, und ich befand mich auf dem Filmset. Als der Nebel sich auflöste und ich auf die andere Seite kam, traute ich meinen Augen kaum. Ich wurde auf der Stelle fast hundert Jahre zurückversetzt. Der Set war umwerfend, Marktstände und Reihen von Rittersporn und Blauregen vermittelten den Eindruck eines typischen englischen Dorfs während des Ersten Weltkriegs.
Zur rechten Seite des Sets sah ich zu meinem Erstaunen Steven Spielberg selbst auf seinem Regiestuhl sitzen. Während ich über die Straße schlenderte, fiel mein Auge auf den Schauspieler, der in Harry Potter die Werwolf-Rolle innehatte. »David Thewlis!«, hörte ich einen anderen Komparsen aufgeregt flüstern, als er seinen Kumpel anstupste.
Mehrere von uns »Vorarbeitern« wurden gebeten, ein paar Pferde über den Set zu führen, und schließlich kam ich an die Reihe und musste mit einem riesigen Clydesdale eine kleine Sequenz vorführen, die vorsah, dass ich auf die Kamera zulief und das wiehernde Pferd packte. Ich freute mich klammheimlich, dass meine Größe sich hier als Plus erweisen könnte, denn dies war gewiss keine Aufgabe für einen kleinen Mann. Das Pferd war riesengroß, und ich musste all meine Kraft aufwenden, um den Hengst unter Kontrolle zu halten und genau so zu führen, wie Steven Spielberg es anwies. Am Ende musste ich dieselbe Sequenz etwa zehn Mal wiederholen, ehe der große Regisseur zufrieden war.
»Gut gemacht, Singe«, rief er mir ein paar Minuten später in seinem breiten schleppenden Amerikanisch zu, was mich natürlich freute.
Mein erster Gedanke war: »Ich kann es kaum erwarten, Kate davon zu erzählen!« Ihre Nummer war noch immer als mein Lieblingskontakt in meinem Telefon gespeichert, und ich wollte sie unbedingt anrufen oder ihr eine SMS schreiben, um meine aufregenden Neuigkeiten loszuwerden. Ich holte mein Telefon heraus, aber plötzlich fiel alles in mir zusammen, als würden Blasen um mein Herz herum platzen. Ich klickte ihre alten Textnachrichten an, von denen sich viele um Punkte drehten, die sie noch in ihre Liste aufnehmen wollte. »Bring das Aquarium, das Kieselsteinschachspiel und die Korbballecke in Ordnung«, las ich. Dies war, wie mir einfiel, der letzte Punkt, den sie ihrer Liste hinzugefügt hatte. Kate wäre sehr traurig, wenn sie wüsste, dass das Aquarium kollabiert ist, würde sich aber freuen, dass ich plante, eins zu installieren, das größer und besser ausgestattet war.
Ich fand ein ruhiges Plätzchen, wo ich mich hinsetzen und nachdenken konnte. Das Kieselsteinschachbrett war eine Aufgabe für später, fand ich. Damit konnte ich mich beschäftigen, wenn die Bauarbeiten beendet waren und wir wieder unseren Garten nutzen konnten. Ich hatte Reef Schach spielen beigebracht, während er im Krankenhaus war, und eines Tages hatte Kate einen perfekt geformten glänzenden schwarzen und einen glänzenden weißen Kieselstein am Strand gefunden. »Wir könnten Kieselsteine anmalen und unser eigenes Schachspiel für den Garten anlegen«, hatte sie gesagt, aber zu ihren Lebzeiten waren wir nie dazu gekommen.
Ich blieb am Wort »Korbballecke« hängen und überlegte, was für eine schreckliche Ironie dahintersteckte, dass dies die letzten Worte auf Kates Liste waren. Sie hatte in jüngeren Jahren die Flankenposition beim Korbball gespielt, da sie unglaublich schnell rennen konnte und unheimlich wendig war. Hinter ihrem Wunsch steckte der Anspruch, den Jungs zu zeigen, dass sie eine gute Teamspielerin war, und sie daran zu erinnern, dass sie nicht schon immer ans Bett gefesselt und erschöpft gewesen war und durch einen Sauerstoffschlauch geatmet hatte.
Ich wünschte mir so sehr, mit Kate in Kontakt zu treten, dass ich fast auf »Antworten« bei ihrer SMS gedrückt hätte, während ich daraufstarrte. Ich umschloss das Telefon mit meinen Fingern und spürte, wie sie zitterten.
»Alles in Ordnung, Kumpel?«, erkundigte sich einer der
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