Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Heiratsantrag gemacht, aber ich verkniff es mir. Das musste im Schnee passieren. Kates Aufregung wurde noch größer, als wir im Hotel Edelweiß eintrafen. Es war, als würde man das Gemälde einer Alpenidylle betreten, und der Anblick des Eiger machte sie sprachlos.
»Wir sind hier ganz in der Nähe der Stelle, wo man diesen James-Bond-Stunt mit dem Drehrestaurant oben auf dem Berg gedreht hat«, erzählte ich ihr. »Morgen werden wir auf die höchste Eisenbahnstation Europas fahren. Und wir werden die von Pferden gezogenen Schlitten sehen, auf denen die Skiausrüstung durchs Tal transportiert wird.
Kate fing zu kichern an und kriegte sich nicht mehr ein. »Ich könnte nicht glücklicher sein«, sagte sie.
Am nächsten Tag standen wir mit unseren Skiern am Fuße des berühmten Berghangs von Lauterbrunnen, wo ich Kate mit der atemberaubenden Aussicht und einer heißen Schokolade allein ließ und in den Supermarkt stürmte. Mit Herzklopfen kaufte ich eine Plastikschale mit Erdbeeren, eine Flasche Champagner, etwas Salami und frische Krustenbrötchen und versteckte das alles in meinem Rucksack.
Den Ring hatte ich inzwischen in meiner Jackentasche und schlug vor, mit der Zahnradbahn gleich bis ganz oben auf den Berg zu fahren, um dann auf unseren Skiern die Abfahrt zu beginnen und uns auf halbem Weg einen guten Platz für eine Mittagsjause zu suchen.
»Ich mach alles mit, was du vorschlägst, Singe!«, lachte Kate. »Du hast mich in der Hand, und genau da will ich auch sein.«
Die Aussicht, die wir während der Bergfahrt genossen, war unglaublich spektakulär. Ich war wegen des Heiratsantrags nervös und aufgeregt, aber Kate war so gebannt von der Kulisse, dass sie keinen Verdacht hegte.
»Das ist einfach atemberaubend«, sagte sie immer und immer wieder. Auch der Anblick ihres Gesichts, das vor Glück strahlte, war atemberaubend. Wie würde sie auf den Antrag reagieren, nachdem sie bereits in derartiger Hochstimmung war?
»Und los geht’s!«, schrie Kate begeistert, als wir die Piste hinabfuhren.
In mir kribbelte alles vor Vorfreude. Ich verzehrte mich danach, ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebte und wie gern ich sie heiraten wollte. Ich konnte es nicht erwarten, ihr Gesicht zu sehen, wenn ich den Ring herausholte. Während der Abfahrt suchte ich mit meinen Blicken unentwegt die Landschaft nach einem perfekten Ort ab, um anzuhalten, und plötzlich entdeckte ich ihn.
Als wir um eine Biegung kamen, breitete sich vor uns ein weites Feld unberührten Schnees aus. In der Ferne sah man eine Bank, flankiert von einer Schneewehe, und weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Ich ließ Kate vorfahren, und als sie sich der Schneewehe näherte, zischte ich hinterher und löste eine ihrer Bindungen. Sie landete mit dem Kopf voraus im tiefen Pulverschnee und vollführte kreischend den perfekten Abgang. Ehe sie hochkommen und Luft schnappen konnte, grätschte ich in sie hinein und zog den Ring aus meiner Tasche.
»Willst du mich heiraten?«, fragte ich.
»Was? Ja! Natürlich will ich das!«, keuchte sie verzückt und mit Tränen in den Augen, nachdem sie sich den Schnee aus dem Gesicht gewischt hatte.
Ich küsste sie leidenschaftlich, zog ihren Skihandschuh ab und streifte ihr den Ring über den Finger. Er passte wie angegossen. Die ganze Welt war perfekt, absolut alles. Um den Champagner zu öffnen, liefen wir durch den knirschenden Schnee zur Bank. Ich habe das Knirschen noch im Ohr. Es war knackig und rein und gab mir das Gefühl unglaublicher Lebendigkeit. Noch immer schmecke ich den Champagner auf Kates Lippen und rieche die reifen Erdbeeren und das frische Krustenbrot. Die Kombination war köstlich und benebelnd, aber vor allem erinnere ich mich an das Geräusch des knirschenden Schnees, das mich mit unserem wunderbaren Planeten verband. Ich heiratete das Mädchen meiner Träume und schwebte auf Wolke sieben.
Jetzt ging mir das Knirschen auf die Nerven. Ich lebte, aber Kate war tot, wie so viele andere, die um mich herum auf diesem Kirchhof begraben lagen. Das Weiß blendete mich, und ich blinzelte, weil meine Augen brannten. Um mich herum war es ganz still, als wären die normalen Straßengeräusche und der Verkehr im Schnee erstarrt. Ich war ganz allein.
Ich beschleunigte meinen Schritt. In meinen Wangen zirkulierte warm das Blut, und sie brannten von der stechenden Kälte. Mein Atem war kurz und flach. Ich konnte gar nicht schnell genug in mein Auto steigen, um wieder normal zu atmen und dem Schnee
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