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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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meinem Kopf abgespult.
    Ich kann mich nicht erinnern, an der Kasse gezahlt zu haben, und weiß kaum noch, wie ich nach Hause gekommen bin. Als ich die Lebensmittel auspackte, war ich mir nicht ganz sicher, was ich vorfinden würde.
    »Was gibt es zum Abendessen?«, fragte Reef.
    »Daddys weltberühmte Pfeffersteaks«, verkündete ich und zog die Zutaten aus den Einkaufstüten.
    »Lecker!«, rief Reef. »Darf ich helfen, das Salz klein zu machen?«
    »Natürlich!«, sagte ich. »Weißt du denn noch, was ich dir gesagt habe?«
    »Man muss es windelweich hauen!«, sagte Reef.
    »Korrekt!«
    »Gibt’s auch Nachtisch?«, wollte Finn wissen.
    »Lass mich mal nachsehen«, erwiderte ich und wühlte in den Tüten. »Wir haben Fruchtjoghurts.«
    Zum Glück hatte ich mich nicht dazu hinreißen lassen, Eclairs oder Erdbeerkäsekuchen oder Double Deckers zu kaufen. Ich mochte sie auch, war aber nicht so wild darauf wie Kate.
    Ich schaute aus dem Wohnzimmerfenster und musste wieder an die Fußspuren im Schnee denken, die ich am früheren Nachmittag auf dem Kirchhof gesehen hatte. Jetzt konnte ich die drei Paar Fußabdrücke erkennen, die die Jungs und ich in unserer Einfahrt hinterlassen hatten. Es schneite noch immer heftig und würde bestimmt nicht lang dauern, bis von unseren Fußspuren nichts mehr zu sehen wäre.
    »Dürfen wir nach dem Abendessen im Schnee spielen?«, fragte Finn.
    »Natürlich dürft ihr das«, sagte ich. »Aber nur, wenn ich auch mitspielen darf.«
    Eigentlich zog mich nichts mehr hinaus in den Schnee, aber wir waren jetzt zu dritt eine Familie und mussten gemeinsam weitermachen. Und deshalb würden wir rausgehen und viele Fußspuren hinterlassen, einfach, weil wir es konnten.

KAPITEL 10
»Fahrt nach Ägypten und schnorchelt im Roten Meer«
    »Wir werden wieder stornieren müssen«, meinte Kate kategorisch. »Es tut mir leid, Singe.«
    Es war unser dritter Versuch, mit den Jungs zum Schnorcheln nach Ägypten zu fahren, und zum dritten Mal mussten wir die Reise wegen Kates Krankheit absagen.
    Das war im Frühjahr 2009, damals lagen noch sechs Monate Behandlung vor ihr.
    »Du sollst dich nicht entschuldigen, irgendwann kommen wir schon noch dorthin«, sagte ich und hielt sie sanft in meinen Armen.
    Kate fühlte sich schmaler an denn je, wie ein kleines Vögelchen, und ich hatte Angst, ihr wehzutun, wenn ich ihre zerbrechliche Gestalt allzu fest drückte. Sie klagte nur selten und schien ihren Behandlungsplan mit Leichtigkeit zu absolvieren, aber die Operation, das Versuchsmedikament, die Chemo und jetzt die Bestrahlung hatten Kate viel abverlangt.
    Und damit meine ich nicht allein die offensichtlichen Dinge. Während wir noch ganz davon in Anspruch genommen waren, dass Kate plötzlich ihre Brust und dann nach und nach ihre Haare verlor, hatte der Krebs die Farbe aus ihren Lippen gesaugt und die sanften Rundungen ihrer Hüften und Schenkel abgeschöpft. Er war ein Dieb, der sich heimlich anschlich und sich nach seinem ersten Übergriff noch lange im Schatten herumtrieb und nach Kates Körper grapschte. Die Stornierung des Urlaubs löste in meinem Kopf den Einbruchsalarm aus, und mir wurde bewusst, dass ich gerade erst anfing, Bilanz zu ziehen, in welchem Ausmaß und wie gnadenlos der Krebs zugeschlagen hatte.
    Ich küsste Kates Stirn, dann ihre kleinen Hände. Ihre Krankheit hatte ihrer Haut die Feuchtigkeit entzogen und den Glanz ihrer Nägel geraubt. Sie hatte sich nach und nach an Kates Energiereserven schadlos gehalten und dafür eimerweise Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit als Visitenkarte hinterlassen. Doch den Lebensmut konnte sie Kate nicht nehmen, dachte ich. Niemals würde es ihr gelingen, den Funken aus ihren Augen oder das Feuer aus ihrem Leib zu rauben. Niemals könnte sie ihr die Hoffnung nehmen, die in ihrem Herzen lebte.
    »Ägypten kann warten«, flüsterte ich. »Das Wichtigste ist, dass es dir gutgeht. Sobald du wieder einigermaßen auf dem Damm bist, können wir neu buchen, und dann haben wir etwas Fantastisches, auf das wir uns freuen können.«
    »Ich weiß, Singe«, sagte sie leise. »Du hast recht. Schließlich würde es ja auch keinen Sinn machen, dort hinzufahren, wenn ich mit den Jungs nicht mal schnorcheln könnte.«
    Ihre blassen Lippen formten ein zartes Lächeln, und ich wusste genau, dass sie sich jenen großartigen Moment ausmalte, wenn Reef und Finn zwischen den Fischen und Korallen im Roten Meer schwammen. Ihre Augen begannen zu leuchten wie Neonröhren, in die flackernd

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