Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
ihrer Liste gebeten hatte. Schließlich legte ich auch meine eigene Nachricht an sie dazu, die mit den Worten endete: »Du wirst nie vergessen sein, bis ans Ende der Welt.« Zu guter Letzt umrahmte ich Kates Körper mit fünf Muscheln. Sie stammten von unseren fünf liebsten Tauchplätzen und repräsentierten die Welt, die wir teilten und schätzten: Australien, die Karibik, Llantwit, Torquay und die Malediven.
Ich kann nicht behaupten, dass es ein Trost war zu wissen, dass sie alles, was sie sich wünschte, bei sich hatte. Es war einfach nur sehr, sehr traurig. Zwar hatte ich mein Bestes getan, doch besser wurde dadurch nichts. Es war nur ein weiterer Schritt auf einem schrecklichen Weg, der leider gegangen werden musste. Es wurden noch viele Tränen geweint, als der Gottesdienst seinen Gang nahm, vor allem, als Christine Reef und Finn mit nach vorne nahm, damit sie Schneeglöckchen auf Kates Sarg legen konnten. Wo sie die Blumen im Februar gefunden hatte, weiß ich nicht, aber ich bin froh darum. Zu meiner großen Überraschung und Erleichterung war die Trauerfeier dennoch weniger düster als erwartet.
Anschließend versammelten wir uns alle an einem Ort namens Plantations mitten im Moorgebiet von Kingston Seymour. Dieser ganz besondere Ort wird von Reefs Behindertenteam benutzt, das so freundlich war, uns für diesen Nachmittag seine Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Besser hätten wir es nicht treffen können, nicht nur wegen der Abgeschiedenheit, sondern vor allem wegen seiner schönen Lage inmitten der Natur. Kate wäre sicher hinausgerannt, um Käfer und vierblättrige Kleeblätter zu suchen, denn das tat sie oft bei unseren Besuchen hier draußen.
Die Gäste brachten Spiele und Harry-Potter- DVD s als Geschenke für die Jungs mit, und wir spielten den Blue-Man-Soundtrack, der sie bei Laune hielt. Mein Onkel hatte ein Video und jede Menge alter Fotos zusammengeschnitten, die als Endlosschleife auf einem großen Bildschirm gezeigt wurden. Ich hatte keine Ahnung, wie es ihm gelungen war, das alles so schnell zusammenzustellen – ich war überwältigt.
Ich sah Schnappschüsse aus Kates Leben und aus meinem gemeinsamen Leben mit ihr. Und in jedem Stadium dieses gemeinsamen Lebens hatte ich sie wahnsinnig geliebt. Sie blieb sich treu und hatte, selbst als ihr Leben sich dem Ende zuneigte und sie unter schlimmen Schmerzen litt, noch immer dieses freche Funkeln in ihren Augen, das ich zuerst an Kate dem Teenager gesehen hatte.
Die Jungs weinten nicht wirklich, es wühlte sie bloß auf, wenn sie andere sahen, die sich von ihren Gefühlen hinreißen ließen. Dennoch war ich froh, als der Tag vorbei war. Wir hatten Kate einen wunderbaren Abschied beschert, aber jetzt freute ich mich auf eine privatere Form der Trauer, eine, die Kate initiiert hatte, als sie auf ihre Liste schrieb: »Ich wäre gern oben auf dem Schrank bei den Kuscheltieren, um noch eine Weile länger bei den Jungs sein zu können« .
Ich erinnere mich, dass mich dieser Wunsch, gelinde gesagt, verwirrt hatte. Es war mir einfach eine unbegreifliche Vorstellung, meine Frau, die warme, fühlbare, süß duftende Kate, reduziert zu kalter schwarzer Asche in einer Schachtel auf einem Schrank stehen zu haben – und zwar nicht auf irgendeinem Schrank, sondern dem Schrank im Zimmer der Jungs. Ich war misstrauisch, aber Kate hatte an alles gedacht. Sie wusste, dass es zwischen der Einäscherung und der Urnenbeisetzung eine zeitliche Lücke geben würde. Kate hatte dies gut durchdacht und beschlossen, dass sie nicht im Regal des Bestattungsunternehmers gelagert werden wollte, wenn sie genauso gut bei uns zu Hause sein konnte.
Bei diesen Worten blutete mir das Herz. Sie war sich ihres Schicksals so sehr bewusst, dass es fast banal geworden war, darüber zu reden. Sie äußerte ihren Wunsch in einem Ton, als bitte sie mich, die Wäsche aufzuhängen oder die Fische zu füttern. Ich fühlte mich unwohl dabei, doch auf keinen Fall wollte ich mit ihr Streit anfangen.
Jetzt fand ich Kates Bitte gar nicht mehr so merkwürdig, und als ich sie am nächsten Tag vom Krematorium abholte, berichtete ich meinem Bruder ziemlich nüchtern am Telefon: »Ich habe gerade Kate abgeholt.«
»Okay, Singe«, erwiderte Matt behutsam. »Ich habe nur angerufen, um mich zu vergewissern, dass du okay bist – äh, bist du dir da auch sicher?«
»Ja«, sagte ich. »Mir geht’s gut, Kumpel.«
Kate ruhte in einem schönen Körbchen, das zu ihrem Sarg passte. Es sah
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