Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Pfarrer der Kirche, die zur All-Saints-Schule gehört, auf der Reef Schüler war und Finn bald eingeschult werden würde. Noel hat auch zwei kleine Jungs und ist Mitglied des Schulbeirats, und er und Kate waren immer gut miteinander ausgekommen.
Die Anlässe ließen mich nicht los. Hochzeit, Urnenbeisetzung und die Taufe unserer Kinder. Die richtige Reihenfolge war das nicht. Ich griff nach meinem Handy, um das Datum einzutippen, weil ich die Herzform sehen wollte und mich daran erinnerte, wie Kate und ich es einander per SMS schickten, egal ob wir Hochzeitstag hatten oder nicht. Doch ehe ich dazu kam, klingelte mein Telefon und der Klingelton von Transvision Vamp erschreckte mich.
»Hast du an morgen Abend gedacht?«
Es war Rachael, eine gute alte Freundin von mir und Kate. Sie und ihr Ehemann Stuart hatten mich dazu überredet, zu einem Tanz in der Dorfscheune mitzukommen. Ganz verschwommen erinnerte ich mich, unter Druck zugesagt zu haben. Ich mag Rachael und Stuart gern, vor allem weil sie wie Kate und ich ein bisschen verrückt sind. Rachael zieht mich immer auf und bringt mich zum Lachen, und Stuart ist auch ein großer Spaßvogel. Außerdem ist er ein geschickter Zimmermann, und ich hatte ihn bereits gefragt, ob er unseren Anbau machen möchte. Ich wollte für diese Arbeit so viele Kumpel wie möglich engagieren, denn so hätte Kate es auch gemacht.
»Es wird dir guttun, mal einen Abend rauszukommen«, meinte Rachael. »Du kannst doch nicht immer nur allein Trübsal blasen, nein, nein, das geht nicht!«
Sie kannte Kates sämtliche Wünsche und wollte offenbar keine Zeit verlieren, mich wieder unter die Leute zu bringen, damit ich neue Bekanntschaften machte, auch wenn seit Kates Tod erst ein paar Wochen vergangen waren.
»Ich habe keinen Babysitter bestellt«, sagte ich, weil ich ziemlich Muffensausen vor dem Tanzabend hatte und verzweifelt nach einer Ausrede suchte, nicht mitkommen zu müssen.
»Kates Eltern werden doch sicherlich die Jungs zu sich nehmen. Die sind in dieser Hinsicht doch immer einmalig. Oder was ist mit Kirsty, eurem Babysitter?«
»Okay, ich sehe schon, du hast das alles durchdacht«, gluckste ich. »Was muss ich denn zu so einem Scheunentanz anziehen? Ich will schließlich an meinem ersten Abend, an dem ich als alleinstehender Kerl ausgehe, nicht wie ein fetter Cowboy aussehen!«
Rachael brach in Gelächter aus.
»Wir holen dich morgen so um sieben ab«, sagte sie. »Stuart und ich werden mit dir zusammen hingehen.«
Ich trat vor meine Seite des Kleiderschranks und sah meine Hemden durch. Es war ein komisches Gefühl, sich wie damals als Teenager wieder Gedanken zu machen, worauf ich mich da einließ und wen ich wohl kennenlernte. Dabei fiel mir ein, dass ich seit meinem dreizehnten Lebensjahr nie mehr Single gewesen war – über dreißig Jahre. Ich wollte auch kein Single sein und auch keine vierundvierzig, doch für die Dating-Szene war ich noch in keiner Weise bereit, geschweige denn für eine neue Beziehung.
Als alleinstehender Mann auszugehen war eine völlig neue Herausforderung, ein ganz fremdartiges Unterfangen, aber ich wusste, dass ich mich daran würde gewöhnen müssen. Auch den ganzen folgenden Tag über war ich wegen des Tanzabends beunruhigt, aber im Nachhinein wäre das wirklich nicht nötig gewesen. Als wir dort eintrafen, besorgte Stuart mir einen Woods Rum mit Cola, obwohl ich nur selten Alkohol trinke, doch das half mir, ein wenig aus mir herauszugehen. Ich tanzte ein paar Mal, lachte mit einigen Müttern von der Schule, und so wurde es ein durch und durch vergnüglicher Abend.
Um Mitternacht begleiteten Rachael und Stuart mich nach Hause. Es war eine kalte, frostige Nacht, und mein Atem formte weiße Hauchwölkchen. Mal aus dem Haus zu kommen tat tatsächlich gut, wie ich zugeben musste. Ich hatte beim Tanzen und Plaudern zwar Kate vermisst, es aber trotzdem genossen, woanders zu sein und frische Luft zu schnappen, fern der Erinnerungen, die sich zu Hause häuften. An diesem Abend war ich ein Erwachsener, einfach nur ein alleinstehender Mann, der Witze machte und sich mit Freunden vergnügte. Der Druck, alleinerziehender Vater und trauernder Witwer zu sein, war zum ersten Mal seit Wochen von mir genommen, und ich war froh, mir diesen Ruck gegeben zu haben.
Unvermittelt kam ein Auto um die Ecke gerast, und seine Scheinwerfer fielen auf ein Paar, das auf dem Gehweg der anderen Straßenseite entlanglief. Die beiden hatten Köpfe und Körper so dicht
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