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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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Vulkanausbruch auf Island über uns schwebte, war ein Startverbot für Flugzeuge verhängt worden, sodass der Himmel über uns ungewöhnlich ruhig und still war. Ich erklärte das auch den Jungs, und Reef überlegte kurz, bevor er meinte: »Dann wird Mummy uns auch keine Küsse schicken können.« Es war für die Jungs so was wie ein Hobby geworden, den Himmel nach weißen Küssen abzusuchen, seit die zwei Flugzeuge an dem Tag, als Kate gestorben war, ein perfektes Kreuz über uns zurückgelassen hatten. Dennoch war ich auf diesen Kommentar nicht gefasst gewesen.
    »Es wird nicht lang andauern«, sagte ich mit zugeschnürter Kehle und erstaunt, dass Reef es wieder mal geschafft hatte, mich derart zu überraschen.
    Die Jungs und ich hatten bald einen festen Tagesablauf, indem ich morgens Speck und Eier zum Frühstück briet, die Kids daraufhin den Wohnwagen von Nanny und Großpapa stürmten und mit diversen Cousins, Onkeln und Tanten spielten, bevor wir gemeinsam Drachen steigen ließen oder zum Pool oder zum Strand gingen.
    Kates Familie war ganz wunderbar. Wir hatten zusammen etwa acht Wohnwagen, und ständig begegnete einem ein vertrautes Gesicht. Alle boten ihre Hilfe und Unterstützung an, daher war ich nur selten allein, obwohl ich mich ohne Kate unglaublich einsam fühlte.
    »Mummy ist mit uns da runtergegangen«, sagte Finn und deutete eines Morgens auf ein paar Felsentümpel am Strand.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Erinnerst du dich noch an den Tag, als wir alle in Llantwit Major die Felsentümpel durchsucht haben und Mummy diese richtig große Krabbe fing?«
    Beide Jungs nickten. Sie waren damals noch sehr klein gewesen. Es war jetzt über ein Jahr her, und vielleicht erinnerten sie sich eher an das fantastische Foto, das wir damals gemacht hatten und das bei uns gerahmt zu Hause hängt, als an den Tag selbst.
    »Wir müssen mit den Jungs nach Llantwit fahren«, hatte Kate gesagt. »Ich kann es kaum erwarten, ihnen beizubringen, wie man Krabben fängt.«
    Im Frühjahr 2009 waren wir endlich zusammen dort. Kate absolvierte problemlos ihre Chemotherapie und sprach bereits vom Ende ihrer Behandlung und davon, dass sie es kaum erwarten könne, die lang ersehnte Brustrekonstruktion vornehmen zu lassen.
    »Ich werde mein Leben nicht auf Eis legen«, sagte sie viele Male und hielt Wort. Wenn Kate sich etwas in den Kopf setzte, dann wollte sie es gleich umsetzen und nicht auf die lange Bank schieben. Auf unserer Reise im Frühling schilderte sie den Jungs, was sie als Kind in Llantwit erlebt hatte.
    »Zusammen mit meinen Cousins und unserem Onkel Ben bin ich den Pfad vom Wohnwagenpark hinunter zum Strand gelaufen«, sagte sie. »Es war ein weiter Weg, für den wir einen halben Tag benötigten, aber es hat sich immer gelohnt. Wenn wir den Strand erreichten, suchten wir stundenlang die Felsentümpel ab und fingen jede Menge Krabben und Shrimps.«
    »Mummy ist zu bescheiden, euch zu erzählen, dass sie die allerbeste Krabbenfängerin war!«, warf ich verschwörerisch ein. »Wartet nur, bis ihr sie in Aktion erlebt – sie ist große Klasse!«
    Kate lachte.
    »Ich hatte meinen eigenen Felsen«, fuhr sie fort. »Und auf dem saß ich dann stundenlang und hab Krabben gefangen. Ich hoffe nur, dass wir ihn finden.«
    Um der alten Zeiten willen beschlossen wir, oben am Campingplatz zu parken und Kates gut ausgetretenem Pfad zum Strand zu folgen. Für Reef nahmen wir den Buggy mit, weil wir in Sorge waren, es könnte für ihn zum Laufen zu weit werden. Doch ich musste belustigt feststellen, dass wir schon nach gerade mal zehn Minuten den Strand erreichten, entsprechend zog ich Kate gnadenlos auf.
    »Du hast gesagt, es wäre eine halbe Tagestour! Dabei ist es ein Katzensprung!«
    Sie wunderte sich. »Ganz ehrlich, meinem Gefühl nach war das damals eine richtige Wanderung«, lachte sie. »Ist das nicht seltsam, wie die Zeit und das Alter einen täuschen können?«
    Kates alten Felsen zu finden war ganz einfach, da dieses Stück Strand, zu dem der Pfad uns führte, gar nicht so viele Felsen zur Auswahl hatte. Das war die nächste Überraschung – nach Kates begeisterter Beschreibung hätte jeder eine weitläufige Landschaft erwartet, mit Felsentümpeln in Hülle und Fülle, so weit das Auge reichte. Kate war ganz aus dem Häuschen, als sie sich auf ihren alten Felsen setzte und sich über den Tümpel aus trübem Wasser beugte, und Reef und Finn erwiesen sich als das aufmerksamste Publikum, das man sich nur wünschen

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