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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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konnte.
    Ich liebte sie so sehr. Sie hatte keine Haare, sondern trug eine Perücke, und von ihrem Arm baumelte der Schlauch eines PICC -Line Katheters, der hoch zu ihrem Arm und über die Brust in eine große Vene direkt über ihrem Herzen führte, um ihr die Chemo und andere Drogen zuzuführen. Als man ihr diesen alarmierend langen Schlauch unter Lokalanästhesie gelegt hatte, hatte sich mir schon beim Gedanken daran alles zusammengezogen. Kate hatte es achselzuckend hingenommen, weil es bei der Menge der von ihr benötigten Medikamente die effizienteste Darreichungsmethode war und es sinnlos gewesen wäre, sich darüber Gedanken zu machen.
    »Wartet, wartet …«, warnte sie, bevor sie geschickt ein wunderbares Exemplar einer Krabbe fing.
    Die Jungs kreischten vor Begeisterung.
    »Sieh nur, Daddy, was Mummy gefangen hat!«, sagte Reef.
    Ehe er sich’s versah, hatte sie schon die nächste Krabbe in der Hand, die sie ihm zum Halten gab, nachdem sie ihm gezeigt hatte, wie er sie anpacken musste.
    »Ich hab euch doch gesagt, dass sie Meisterin darin ist«, sagte ich und lächelte Kate zu, während sich die drei auf meine Initiative für ein Foto aufstellten.
    Dieses Foto liebe ich heiß und innig. Kate war in ihrem Element und sah so gut und glücklich aus, ihre Augen leuchteten vor Liebe für ihre kleinen Jungs, mit denen sie so viel Spaß hatte. Keiner hätte sie für krebskrank gehalten, und ich empfand diesen Tag als einen Meilenstein auf dem Weg ihrer Genesung. Während wir uns ein Eis genehmigten, sagte Kate: »Das müssen wir nächstes Jahr wiederholen.« Jeder, der uns beobachtete, hätte uns für eine ganz normale Familie auf einem Tagesausflug zum Strand gehalten, ein glücklich verheiratetes Paar mit zwei süßen kleinen Jungs mit dem gleichen Grinsen und den gleichen T-Shirts.
    Und bald schon würden wir tatsächlich wieder normal sein. Kates Behandlung ging dem Ende zu, und wir würden am Strand liegen, wie wir das auch getan hatten, als Reefs Behandlung vor einem Jahr abgeschlossen war, und sagen: »Wir haben es geschafft!« Das hoffte und erflehte ich jedenfalls und ging davon aus, dass es genauso eintreffen würde.
    Ich schaffte es ganz gut, den Jungs in Ruda eine schöne Zeit zu bereiten, aber leicht war es gewiss nicht. Nach unserem Zerwürfnis 2008 hatte Kate diese Reise 2009 mit den Jungs allein unternommen. Nun war ich an der Reihe, sie allein zu machen, und wurde dabei nie das Gefühl los, in Kates Fußstapfen zu treten. » Ich möchte, dass du mit ihnen an Mummys Lieblingsstrand spazieren gehst, dort, wo sie als Kind immer war«, hatte Kate gesagt. Sie hatte außer Llantwit Major noch mehrere Lieblingsstrände, und Croyde Bay neben dem Caravanpark war einer davon.
    Ich nahm die Jungs dorthin mit und fand alles so sinnlos. Zum Glück hatte ich ein paar Kaugummis in meiner Tasche, denn dies war einer der Momente, in denen wir alle ein Kaugummi haben sollten.
    »Warum bist du traurig, Daddy?«, wollte Finn wissen, als er beim Verteilen der Kaugummis mein gerötetes Gesicht sah.
    »Es ist etwas ganz Besonderes, einen von Mummys Lieblingsplätzen zu besuchen«, erklärte ich.
    Er nickte und stapfte dann am Ufer entlang, um zusammen mit seinem Bruder Krabben zu suchen.
    »Und so musst du es machen«, hörte ich Reef Finn erklären, der wie ein Verrückter in einem Felsentümpel herumzuspritzen begann, sodass zweifelsohne sämtliche Krabben der Küste vor Angst Reißaus nahmen.
    »Du musst ganz sanft und still sein!«, schrie Reef, als beide ins Wasser langten.
    »Kommt her, Jungs, lasst es uns in einem anderen Tümpel versuchen, wie wär’s mit dem hier? Darf ich es diesmal probieren?«
    Diese Worte hätten gut von Kate stammen können, aber sie kamen aus meinem Mund. Einen unangenehmen Moment lang hatte ich das Gefühl, tatsächlich zu versuchen, wie Kate zu sein, und das gefiel mir nicht. Selbst ihre Familie erwartete von mir, dass ich mich wie Kate verhielt und genau das tat, was sie tat oder getan hätte – jedenfalls kam es mir so vor.
    Sie kannten Kate als die perfekte Tochter, die hingebungsvolle Mutter, die liebevolle Schwester, Cousine, Nichte oder Tante, die für jeden Spaß zu haben war. Sie war all dies, aber ich kannte eine Kate, die kein anderer kannte. Sie war meine blonde, leidenschaftliche, umwerfende Ehefrau und Geliebte. Keiner sonst kannte diese Seite von Kate, und das war auch richtig so. Das war unser Privatleben, aber in diesem Urlaub fühlte ich mich dadurch vom Rest der

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