Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Montessori-Kindergarten, den Kate bereits für Reef in Clevedon ausgesucht hatte, aber er konnte es kaum erwarten, zu seinem großen Bruder in die All-Saints-School zu kommen.
»Nun, es ist jetzt fast Juni, und im September fängst du mit der Schule an«, sagte ich. Finn sah mich verdutzt an. »Da musst du noch viele, viele Male schlafen – etwa hundertmal«, erklärte ich ihm. »Bis zu den Sommerferien sind es noch etwa acht Wochen, danach sind sechs Wochen Ferien, und dann fängst du in der großen Schule an.« Finn machte ein langes Gesicht. »Das ist ja eine Ewigkeit«, beklagte er sich. »Warum kann ich nicht schon jetzt hingehen!«
Doch bevor ich antworten konnte, war er schon nach oben in das freie Zimmer gerannt, wo er gleich darauf auf seinem Spielzeugschlagzeug loszutrommeln begann. Das hatte er von einem Nachbarn geschenkt bekommen, der von Kates Wunsch erfahren hatte, er solle Schlagzeug spielen lernen, und Finn hatte einen Riesenspaß daran.
»Mach nicht so einen Krach, Finn«, schrie Reef aus ihrem gemeinsamen Zimmer. »Warum musst du immer so LAUT sein!«
Reef las ein Buch, und mir wurde schlagartig klar, wie schnell die Jungs groß wurden. Seit sie in Windeln herumgekrochen waren, schienen noch keine fünf Minuten vergangen zu sein, und jetzt sah ich sie zu meinem Entzücken plötzlich als zwei kleine Männer, die unheimlich schnell ihren jeweils eigenen Charakter entwickelten. Dabei fiel mir Kates Liste ein. Ich hatte bereits so viele Dinge erledigt, fragte mich aber trotzdem, ob ich sie auch schnell genug abhakte. Selbst einige der einfachen Dinge waren noch nicht auf den Weg gebracht, wie etwa Flöten- oder Gitarrenunterricht für Reef und Schlagzeug- und Keyboardunterricht für Finn. Solange Kate noch lebte, wollte ich immer der perfekte Ehemann sein, weil Kate so eine perfekte Ehefrau war. Seit sie nicht mehr da war, wollte ich noch immer ihr perfekter Ehemann sein, aber gelang mir das auch? Bald schon würden Reef und Finn gemeinsam zur Schule gehen, und nicht mehr lang, bis sie mich immer weniger brauchten. Und wenn ich es nun nicht schaffte, die Liste abzuarbeiten, bevor die Jungs erwachsen waren? Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich Kate enttäuschte.
Ich ging nach oben und holte eine Kopie von Kates Liste von meinem Nachttisch. Es war das erste Mal seit Monaten, dass ich mich nach einem ersten kurzen Überfliegen intensiv damit beschäftigte. Ich schaute auf Kates Bettseite.
»Hilf ihnen immer, wenn sie dich darum bitten«, hatte sie gesagt.
»Natürlich werde ich das«, hatte ich ein wenig verdutzt erwidert und überlegt, warum sie mich um etwas derart Naheliegendes bat. Sie wusste doch, dass ich ihnen immer helfen würde, auch ohne extra darum gebeten werden zu müssen. Doch jetzt erkannte ich die tiefere Bedeutung. Die Jungs würden mich immer brauchen. Ich war auch noch ihr Dad, wenn sie selbst erwachsen waren und eigene Kinder hatten. Und das verdeutlichte mir, dass auch viele der anderen Punkte auf der Liste immer ihre Berechtigung hatten, egal wie viel Zeit ins Land ging.
Mein Blick fiel auf die kleinen, von Kate ausführlich beschriebenen Dinge, die sie mochte oder nicht mochte. »Liebte Meerschweinchen und Schmetterlinge, Walnut Whips, Erdbeerkäsekuchen.« – »Mochte kein windiges Wetter.« – »Mochte gern Wildblumen – Rote Lichtnelke, Wiesenschaumkraut, Gänseblümchen, Schlüsselblumen und Brautsträuße.« – »Mummy liebte Nachtfalter, Schlangen und Blindschleichen, Orangenbiskuits, Marmelade und Gelee, Zitronenaufstrich.« – »Mochte keine Tomaten, außer in Soßen oder Suppen.« – »Mummy liebte cremefarbene Rosen, Efeu, Schleierkraut.«
Während ich auf die Worte starrte, wurden sie zu Bildern, die mein Gehirn wie Videoclips projizierte und mir Kate zeigten, wie sie unsere Meerschweinchen hinten im Garten streichelte, dann das Papier eines Orangenbiskuits löste oder ein Messer nahm, um Zitronenaufstrich auf ihrem Toast zu verteilen. Ich sah Kate, die richtig wütend wurde, als sie am Strand versuchte, den Jetski zusammenzupacken, wobei ihr der Wind die Haare ins Gesicht blies. Sie hasste den Wind, sie konnte ihn nicht ausstehen. Im nächsten Clip sah ich sie mit ihrem Hochzeitsstrauß in der Hand, das schönste Gebinde aus cremefarbenen Rosen und Schleierkraut, das ich je gesehen hatte, und Kate begann zu strahlen, als sie sich darüberbeugte und den süßen Duft der Blumen einatmete.
Als sie damals diese Dinge aufschrieb, empfand ich sie als
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