Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
das wir kommen?«
»Nein, das im Hafen ist der Nachbau davon. Man hat beim Bau darauf geachtet, dass es genauso aussieht wie das ursprüngliche Schiff, und es ist ein wirkliches cooles Boot mit großen Segeln.«
Im Laufe der folgenden Woche führten wir mehrere Gespräche wie dieses, während wir auf Reefs großen Tag – den 29. Juli – warteten. Mit viel Spaß stellten wir unsere Piratenkostüme zusammen, komplett mit Augenklappen, Halstüchern und weißen Hemden mit Pluderärmeln.
Eine Lokalzeitung bekam Wind von der Party und wollte eine Geschichte dazu bringen, nachdem Kate und ich im Lauf der Jahre ein paar Interviews über Reefs Krebserkrankung gegeben hatten und über Kates Tod ausführlich berichtet worden war. Als ich mit dem Reporter am Telefon sprach, erinnerte ich mich an eine besonders aufmunternde Schlagzeile zu den Fortschritten, die Reef machte, und die ich nachgelesen hatte, nachdem die Andenkenkisten gekommen waren. »Unser kleines Wunder«, hieß es in dem alten Zeitungsausschnitt. Ich wollte ihn noch mal lesen und kramte ihn deshalb am Abend vor Reefs Party aus, um mich an der Lektüre zu erfreuen. Ich erinnere mich noch gut, dass auf der Seite ein Foto zu sehen war, das mich und Kate glücklich vereint mit den beiden Jungs zeigte, und Kate dem Journalisten, der den Artikel schrieb, einen ausführlichen Bericht über Reefs Krankheit geliefert hatte.
Ich musste die Schatztruhen durchwühlen und fand den Artikel schließlich ganz oben auf einem Stapel verblasster Zeitungsausschnitte, die ich in einen braunen Umschlag gesteckt hatte. Meine Augen fielen sofort auf Kate. Der Fotograf hatte sie so aufgenommen, dass auf dem größten Teil ihres Gesichts ein Schatten lag. Dadurch wirkte ihre Haut grauer, als sie war, und sie sah auch älter aus. Der Artikel stand im Weston Mercury und stammte vom 30. Juli 2008, dem Tag nach Reefs viertem Geburtstag. Ich überflog ihn, bis ich auf Kates Worte stieß, und während ich sie las, erinnerte ich mich daran, wie sie unten auf dem Sofa gesessen und dem Reporter tapfer und mit fester Stimme diktiert hatte.
»Wir hätten nie gedacht, dass wir diesen Tag erleben dürfen. Als man uns die Prognose mitgeteilt hat, war gar nicht daran zu denken, dass wir dieses Stadium erreichen würden. Er hat sich wirklich außerordentlich gut gemacht … Es war surreal mit beiden Söhnen in verschiedenen Krankenhäusern. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir zwei Kinder mit minimalen Überlebenschancen … Reef hat sechzig Vollnarkosen, dreißig Bestrahlungen und vierzig verschiedene Chemotherapiesitzungen bekommen, aber er hat sich erstaunlich gut damit arrangiert und ist immer fröhlich und gut gelaunt … Er passt sich an, um Dinge tun zu können. Er kann die Treppen nicht gut hochsteigen und hat Probleme, seine Socken anzuziehen, aber er stellt sich auf die Gegebenheiten ein. Er lernt und improvisiert ständig, er ist unglaublich …«
Es war schwer, Kates Worte zu lesen und sie Kate in meinem Kopf sagen zu hören. Genau zwei Jahre waren seitdem vergangen. Eigentlich keine Zeitspanne, doch Kate hatte um ihr Leben gekämpft und verloren, während ihr »kleines Wunder« weiterhin unglaubliche Fortschritte machte.
Ich kann mich noch gut an Kates Reaktion erinnern, als wir endlich die ganze Diagnose von Reefs Krankheit erfahren hatten. Es war vier Tage nach Finns Geburt, und wir waren beide in schlimmer Verfassung. »Diddy« lag noch immer auf der Intensivstation unter ultraviolettem Licht und bekam Sauerstoff zur Unterstützung seiner Atmung. Keiner konnte uns versprechen, dass wir bald ein gesundes Baby mit nach Hause nehmen würden, Kate war jedes Mal am Boden zerstört, wenn sie Finn durch seine sterile Glasblase ansehen musste, ohne die Möglichkeit, ihren Neugeborenen im Arm zu halten. Sie konnte ihn nur durch die Luken im Plastikbettchen ein wenig streicheln oder kitzeln.
Der Gipfel an Surrealität war erreicht, als wir Finn allein im Southmead Hospital zurückließen, um ans andere Ende der Stadt zu fahren, wo man uns Reefs Diagnose mitteilte. Kate und ich redeten uns selbst und gegenseitig mit aller Kraft ein, dass wir unmöglich noch weitere schlechte Nachrichten bekommen konnten, aber natürlich erwartete uns genau dies. Als wir das Bristol Royal Infirmary erreichten, führte man uns in ein abgetrenntes Familienzimmer. Man musste kein Genie sein, um sich auszumalen, dass wir dort etwas sehr, sehr Ernstes erfahren würden. Außer einem besorgt blickenden Facharzt
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