Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
erkundigte Kate sich ängstlich und schielte nach unten.
Die Hebamme und ich kümmerten uns gemeinsam um ihn, klemmten die Nabelschnur ab und durchtrennten sie. Ich fand es aufregend, auch bei dieser Geburt eine Rolle zu spielen. Auch bei Reef hatte ich die Nabelschnur durchtrennen dürfen, nachdem wir ihn zur Welt gebracht hatten. Ich hatte ihn sogar gesäubert und ihm eine Windel angelegt, ehe die Hebamme Gelegenheit dazu hatte. Sie war davon keineswegs begeistert und sagte mir, er sei das einzige Baby, dem sie in ihren mehr als zwanzig Jahren als Geburtshelferin keine Windel angelegt habe. Doch Kate und ich waren so glücklich, dass wir uns von diesem Rüffel nicht stören ließen. Uns kam es nur darauf an, Reef abwechselnd in den Arm zu nehmen.
Diese Geburt hier war jedoch anders, und unser Baby in den Arm nehmen kam nicht in Frage. Sobald Finn abgenabelt war, bekam er einen Strampelanzug in Puppengröße angezogen und wurde auf schnellstem Weg in den Inkubator gebracht, wo er Sauerstoff und ultraviolette Bestrahlung erhielt.
»Er wird noch ein wenig Unterstützung brauchen, aber er sieht gut aus«, sagte die Hebamme. »Herzlichen Glückwunsch!«
Es war der 29. Dezember 2005, und Finn wog fünf Pfund. Wie bei Reef hatten wir auch hier gewusst, dass es ein kleiner Junge werden würde, und schon einen Namen für ihn ausgesucht.
»Für ein Frühchen ist er groß«, versicherte ich Kate.
»Aber er ist trotzdem ein kleiner Diddy«, sagte sie. »Ich möchte ihn doch nur in den Arm nehmen.«
»Ich weiß, aber ›Diddy‹ muss auf die neonatologische Intensivstation.«
»Für wie lange? Wie lange muss ich warten, bis ich ihn in den Arm nehmen kann?«
»Das können sie noch nicht sagen, Kate, aber mach dir keine Sorgen. Er ist in besten Händen. Nimm stattdessen mich in den Arm.«
Ich drückte sie sanft an mich, während sie mit ihren Händen über ihren entleerten Bauch strich.
»Er sollte noch hier drin sein«, sagte sie nüchtern. Dem war nichts hinzuzufügen. Man brauchte kein Arzt zu sein, um zu erkennen, dass Kates Frühwehen durch extremen Stress hervorgerufen worden waren. Ihr Gesicht war von Sorge gezeichnet.
»Und wenn es bei Reef nun schlechte Nachrichten sind? Was ist, wenn es bei Finn Komplikationen gibt? Bei Frühgeborenen kann alles Mögliche passieren, vor allem, wenn sie so früh zur Welt kommen. Und wenn er es nun … nicht schafft?«
Ich küsste Kates Stirn. Meine Frau und meine beiden kleinen Jungs lagen nun alle auf die eine oder andere Weise im Krankenhaus. Das Leben beider Jungs hing in der Schwebe, wie sollte ich unter diesen Umständen etwas Positives sagen?
»So darfst du nicht denken«, war das Beste, was mir einfiel, obwohl mir sicherlich ins Gesicht geschrieben stand, dass ich Kates düsterste Befürchtungen teilte.
»Hab’s gefunden!«, schrie Reef. »Darf ich das mit zu meiner Party nehmen?«
Ich war so sehr in meine Erinnerung versunken gewesen, dass ich ganz vergessen hatte, wo ich mich befand und wonach Reef gesucht hatte. Bis er wild mit seinem Plastikschwert fuchtelnd aus dem Wintergarten auf mich zugestürmt kam, Finn ihm direkt hinterher.
»Wir haben eine Ewigkeit Piraten gespielt, Daddy. Was hast du gemacht?«
»Nachgedacht«, sagte ich.
»Worüber?«, wollte Reef wissen.
»Über alles Mögliche – darunter auch dein Geburtstag.«
»Das ist ungerecht, ich habe kein Schwert, Daddy«, warf Finn verärgert ein. »Krieg ich vielleicht eins für die Party? Bitte?«
»Mir fällt sogar noch was Besseres ein«, sagte ich, getragen von einer Woge der Dankbarkeit, die durch meinen Körper floss und die dunklen Ängste der Vergangenheit wegspülte. Es war unglaublich, dass wir es so weit geschafft hatten und beide Jungs gut gediehen. »Ich kümmere mich darum, dass wir alle drei komplette Piratenkostüme bekommen. Es wird die beste Piratenparty aller Zeiten werden!«
Dann setzte ich mich mit den Jungs hin und erzählte ihnen die Geschichte von The Matthew .
»Vor mehr als fünfhundert Jahren setzte ein Mann namens John Cabot an Bord der Original-Matthew Segel, um nach Asien zu fahren. Es war ein Handelsschiff der Tudors, und er wollte mit den Leuten in Asien Handel treiben. Aber wisst ihr, wohin er tatsächlich fuhr?«
Beide Jungs schüttelten die Köpfe.
»Nach Amerika!« Er landete an der Küste von Neufundland – also war eigentlich er der Mann, der Amerika entdeckte, und nicht Christopher Kolumbus!«
»Oooh«, sagte Reef. »Ist es genau dieses Schiff, auf
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