Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
intensive Antibiotika-Behandlungen wegen seines geschwächten Immunsystems, das seinen kleinen Körper für schlimme Infektionen empfänglich machte, diese jedoch führten zu Erbrechen und Schmerzkrämpfen. All dies bekam er natürlich zusätzlich zu seinen Megadosen an Chemotherapie und Bestrahlung, die ebenfalls zu Übelkeit führten und ihn gefährlich schwächten – so sehr, dass die Behandlung ihn mehr als einmal fast umgebracht hätte.
Der Zeitungsausschnitt in meiner Hand erinnerte mich daran, welch unglaublichen Kampf Reef gekämpft hatte, um zu überleben. Er war tatsächlich unser »kleines Wunder«, und natürlich überlebte auch Finn, obwohl es vier lange Wochen dauerte, ehe er endlich aus seinem Inkubator durfte und Kate ihn an sich drücken und küssen konnte. Kate, die gesunde Kate, hatte danach unsere beiden kleinen Jungs jeden Tag an sich gedrückt und war dankbar für das, was sie hatte, obwohl sie sich nach Normalität sehnte. Sie musste noch zwei lange Jahre warten, bis sie langsam glauben konnte, dass Reef tatsächlich ein medizinisches Wunder war und genauso überleben würde wie »Diddy«.
War Reefs vierter Geburtstag schon ein kostbarer Meilenstein gewesen, war natürlich der fünfte Geburtstag, den er im Juli 2009 feierte, ein noch größerer. Damals hatte Kate schon fast ein Jahr Krebstherapie hinter sich, aber das hielt sie nicht davon ab, mit ihm zu feiern und auf ihre eigene kostbare Genesung zu hoffen.
Wenn Kate uns jetzt beobachtete, würde sie sehen wollen, wie ich unsere beiden Jungs im Sonnenschein an mich drückte, wie sie es getan hatte, den Augenblick genoss und mit Hoffnung im Herzen weiterlebte.
»Legt Sammelalben von euren Abenteuern an«, hatte sie auf ihre Liste geschrieben.
»Das werde ich«, sagte ich leise, als ich den Zeitungsausschnitt wegpackte.
Als ich den Jungs ihre Gutenachtküsse gab, erzählte ich ihnen, dass jemand von der Lokalzeitung käme, um am Tag von Reefs Geburtstagsparty von uns ein Foto auf The Matthew zu machen.
»Das wird ein großes Abenteuer, und wir haben auf diese Weise ein ewiges Andenken«, erzählte ich ihnen fröhlich.
Für mich stand außer Zweifel, dass die Party ein toller Erfolg werden würde. Ich hatte bereits mehrere Klassen älterer Kinder aus Reefs Schule auf The Matthew mitgenommen für einen von mir geplanten Ausflugstag, der begeistert aufgenommen worden war.
Sowohl der Direktor der Schule Mr Webber als auch der Bürgermeister von Bristol, der sich als Tudor-Kaufmann verkleidet hatte, hatten uns auf dem Schulausflug begleitet. Zum Höhepunkt dieses Tages kam es jedoch, als wir am Pub von Pill vorbeisegelten, wo sich viele Eltern versammelt hatten, um ihren Kindern an Bord zuzuwinken. Die Erwachsenen saßen in der Sonne und tranken Bier oder Wein, als wir auftauchten, und hatten nicht die leiseste Ahnung, was sie erwartete. Doch alle Kinder waren in das Geheimnis eingeweiht und brannten vor Aufregung.
»Wisst ihr noch, was ich euch gesagt habe?«, fragte ich sie. Es waren etwa fünfzig Kinder, die alle vor Vorfreude nickten und kicherten.
»Wenn wir die Kanonen abfeuern, drückt ihr eure Hände auf eure Ohren, da sonst euer Trommelfell platzt. Ihr schreit alle ›Aufgepasst!‹, wie das die richtigen Piraten dazumal auch getan haben. Seid ihr bereit, Schiffskameraden?«
Alle Kids jubelten und gaben ein Piratengebrüll zum Besten, bei dem einem das Blut in den Adern gefror, während wir in rascher Folge mit zwei Kanonen auf die Eltern eine ohrenbetäubende Breitseite abfeuerten. Damit hatten sie nicht gerechnet, und es war ausgesprochen amüsant zuzusehen, wie sie vor Schreck aus der Haut fuhren, als die Lärmattacke auf sie zukam. Mehrere Eltern, die auf dem Mäuerchen des Pubs gesessen hatten, fielen buchstäblich herunter, und ich sah, wie sie unter Lachen Getränke verschütteten oder vor Schock die Luft anhielten. Lustiger hätte es bei dem Ausflug nicht zugehen können, und ich wollte, dass Reefs Geburtstag genauso denkwürdig wurde.
Schon viele Wochen vor seiner Party war ich damit beschäftigt, Süßigkeiten einzukaufen, die zur Piratenthematik passten, außerdem unsere Piratenkostüme. Wir luden Reefs ganze Klasse und dazu noch ein paar Freunde ein, und alle Eltern kamen zum Hafen, um zuzusehen, wie ich mit etwa fünfzig verwegenen Kindern Segel setzte. Eltern, die sich verkleidet hatten, durften mit an Bord, aber es waren so viele, dass sich zu The Matthew auch noch zwei Schlauchboote gesellten, randvoll mit
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