Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Müttern und Vätern mit Augenklappen, falschen Narben und gepunkteten Kopftüchern.
Unter der wehenden Jolly-Rogers-Flagge ließen wir uns um den Bristol Harbour treiben, während die Kinder auf die Takelage kletterten, das Schiff der ganzen Länge nach erforschten und Piratenspiele spielten und dabei eine Menge Spaß hatten. Mit Begeisterung schlugen sie auf die Papagei-Piñatas ein, und bald schon lagen überall auf dem Deck Schädel mit gekreuzten Knochen, Süßigkeiten, goldene Schokomünzen und silberne Piratenringe, auf die sich die Kinder stürzten. Wir machten einen Zwischenstopp, um für das Partyessen auch noch Pommes an Bord zu holen, und die Erwachsenen tranken einen Tee mit Sahne. Das Abenteuer gipfelte in einem von der gesamten Crew und allen Gästen geschmetterten »Happy Birthday«, worauf Reef die sechs Kerzen auf seinem Kuchen mit dem Totenschädel und den gekreuzten Knochen ausblies. Sein Gesicht war ein Bild der Freude. Er genoss jeden Augenblick und wollte am Ende des Tags gar nicht mehr runter vom Schiff.
»Danke, Daddy«, sagte er strahlend. »Ich hab dich lieb, Daddy.« Ich schloss ihn fest in meine Arme. »Happy Birthday«, sagte ich. »Ich habe dich auch lieb.«
Ich freute mich wie ein Kind.
»Dazu fällt mir nicht mehr ein als ›wow‹!«, sagte eine der Schulmütter. Eine andere schalt mich scherzhaft dafür, die Latte so hoch gelegt zu haben. »Was um Himmels willen soll nach einem solchen Ereignis denn der Rest von uns noch für die Partys der Kinder auffahren? Wie soll man das noch toppen?«, lachte sie.
»Glaubt ihr denn, das hätte Kate gefallen«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits wusste.
»Das wissen Sie doch!«, kam die begeisterte Antwort. »Gut gemacht!«
Zur Schlafenszeit bat Reef mich, am Türrahmen seine Größe zu messen, wie Mummy das immer an den Geburtstagen gemacht hatte.
»Können wir auch die von Mummy jetzt richtig einzeichnen?«, fragte er und sah mich dabei mit treuen Hundeaugen an, denen ich mich unmöglich verweigern konnte, auch wenn sowohl er als auch Finn völlig fertig und mehr als bettreif waren.
Im vergangenen Jahr hatten Kate und die Jungs mit Büchern herumgefuhrwerkt, die sie sich gegenseitig auf den Kopf legten. Zudem existierte ein schwacher Bleistiftstrich von Reef, der, wie ich mich erinnerte, Kates Größe markieren sollte. Er war alles andere als genau, da er am Türrahmen gar nicht hoch genug greifen konnte, aber sie ließ ihm seinen Willen, und der Strich blieb.
»Ihr müsst meine Größe auf dem Türrahmen festhalten – Mummy war 1,55 groß« stand auf der Liste, also sollten wir es jetzt richtig machen.
»Dann holt ein Buch und einen Bleistift, und ich suche das Metermaß«, willigte ich ein.
Reef sah mich mit einem frechen Siegerlächeln an, das mir sagte, dass es hier genauso um das Hinauszögern der Schlafenszeit wie um das Festhalten der Größen ging. Unnötig zu erwähnen, dass auch Finn mitspielte, und die beiden holten aus der Übung heraus, was es herauszuholen gab, während ich bei ihnen Maß nahm und dann noch eine Kerbe bei einem Meter fünfundfünfzig für Mummy einzeichnete. Diese Taktik musste ich im Auge behalten, sagte ich mir. Finn war noch ein wenig jung, aber Reef war alt genug, um mit meinen Gefühlen zu spielen.
Ein paar Tage darauf druckte die Bristol Evening Post eine Geschichte unter der Schlagzeile: »Der tapfere Reef genießt eine Piraten-Geburtstagsparty im Andenken an Mum«.
Auf einem tollen Foto von mir und den Jungs sieht man uns herausgeputzt in unseren Piratenkostümen an Bord von The Matthew, und ich werde folgendermaßen zitiert: »Wir feiern Geburtstage immer groß … das gehört zu den Dingen, die Kate sich für die Jungs gewünscht hat.«
Es war ein befriedigendes Gefühl, diesen Artikel auszuschneiden und nach oben zu den Andenkenkisten bringen zu können, nachdem ich ihn ordentlich in ein Sammelalbum geklebt hatte. Wieder konnte ich einen Punkt auf Kates Liste abhaken, und ich schwor mir, diesen noch oft abzuhaken.
Ich musste an das denken, was eine andere Mutter mir am Tag der Party gesagt hatte: »Nicht viele Leute könnten das tun, was Sie tun, und das so bald …« Sie unterbrach sich und schenkte mir ein Lächeln, das kaum mitleidig war, anstatt den Satz um das zu ergänzen, was sie hatte sagen wollen: »so bald nachdem Sie Kate verloren haben«. Damals lächelte ich nur und zuckte mit den Achseln.
»Mir gefällt das«, hatte ich ihr geantwortet, und es war mein voller
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