Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
wir uns jetzt alle ohne Ende aufregen, oder?«
Sie sahen mich beide an und schüttelten die Köpfe, und ich gelobte mir, jetzt und sogleich einen Schlussstrich unter die ganze Angelegenheit zu ziehen. In weniger als vierzehn Tagen begann für Finn die Schulzeit, und wir hatten zu Hause noch jede Menge für das neue Schuljahr vorzubereiten. Das sagte ich auch den Jungs, bevor wir uns von den Großeltern verabschiedeten und nach Hause aufbrachen. Finn war ganz Ohr, als ich ihm sagte, wir müssten noch ein paar Teile seiner Uniform und auch noch Schuhe für die Schule kaufen.
»Es wird schön werden, dich an meiner Schule zu haben«, sagte Reef und nahm Finns kleine heiße Hand in seine. Es schien mir gelungen zu sein, die Jungs zu beschwichtigen und das Thema zu wechseln, aber in mir selbst nagte der Groll über den Verlust des Bootes weiter. Es war ein Geschenk von Kate, gekauft an ihrem Geburtstag, dem Tag, den wir seither Mum’s Day nannten. Es stand für ein neues Kapitel in meinem Leben mit den Jungs, und jetzt war es kaputt.
Wenn ich ehrlich zu mir bin, tat ich mir selbst leid, und als die Jungs an diesem Abend im Bett waren, wühlte ich in meinem Schlafzimmer nach Erinnerungen, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob ich mich damit aufmuntern oder ein wenig in Selbstmitleid baden wollte. Die meisten Sachen von Kate waren inzwischen weggegeben worden. Ich hatte sämtliche Kleider und Schuhe eingepackt, die ich weder selbst haben noch Freunden geben wollte, und sie an den Laden einer Wohlfahrtseinrichtung geschickt. Ihr altes Make-up und die Kosmetik waren verschwunden, bis auf ihre letzte Flasche Charlie-Red-Parfüm, die ich mir nachts immer noch aufs Kissen sprühte, um einschlafen zu können.
Das Zimmer erinnerte jetzt eher an das eines Junggesellen. Es gab keine Röcke aus weich fließenden Stoffen und keine Tops mehr, die aus Schränken guckten, keine süß duftenden Lotionen und Tinkturen mehr auf der Frisierkommode und keine baumelnden Ohrringe, die auf dem Nachttisch abgelegt worden waren. Das war jetzt mein Zimmer, nicht mehr unser Zimmer.
Mein Blick fiel aufs Bett, und auch dieses gehörte jetzt mir allein. Kate hatte es bestellt, als sie krank geworden war und das Wasserbett bei ihrem wunden Rücken zu sehr nachgab. Sie wollte es zu ihrem Nest machen, zu einem Ort, an dem die Jungs mit ihr kuscheln konnten, wenn sie zu schwach sein sollte, um aufzustehen. Ich hatte mir unser Liebesspiel in dem neuen Bett ausgemalt, wenn es Kate wieder besser ginge. Da wir wochenlang auf die Lieferung warten mussten, blieb Kate nichts anderes übrig, als in der Zwischenzeit auf das alte elektrisch verstellbare Bett ihrer Großmutter mit einer Memory-Foam-Matratze auszuweichen. Als das neue Bett endlich eintraf, lebte Kate nicht mehr. Sie hatte nie darin geschlafen, nicht ein einziges Mal. Wenn sie jetzt auf mich herabsähe, könnte ich mir vorstellen, dass sie dieses Timing als Segen ansah. So brauchte ich nicht allein in einem Bett zu liegen, in dem wir uns geliebt hatten.
Am Fußende des Bettes standen die mit Erinnerungen angefüllten Schatzkisten. Vor kurzem hatte Kates Mutter mir die Kopie eines E-Mail-Tagebuchs überreicht. Das hatte sie während Kates Behandlung geführt, um enge Freunde und die Familie über Kates Fortschritte zu informieren. Ich war nach dem Artikel über Reefs Geburtstagsparty um ein weiteres Zeitungsinterview gebeten worden, und Christine meinte, dass mir ihr Tagebuch dabei hilfreich sein könnte. Ich hatte es bis jetzt nicht lesen wollen, aber an diesem Abend war ich wohl in der entsprechend weinerlichen Stimmung. Ich zog die ausgedruckten A4-Blätter aus ihrem Umschlag und überflog die erste Seite. Mich sprang das Datum des ersten Eintrags an. Er war auf den Tag genau zwei Jahren alt.
20. August 2008
Ich habe leider unerfreuliche Nachrichten – man hat bei Kate Brustkrebs festgestellt und wird am nächsten Mittwoch, dem 27. August, eine Mastektomie durchführen. Sie hat zwei Knoten in derselben Brust, einen von 1,9 cm und einen von 4 mm Durchmesser, sodass eine Lumpektomie nicht in Frage kommt.
Es ging alles sehr schnell, und sie wird im Weston General operiert werden. Die Rekonstruktion wird zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Ob eine Chemo- oder Radiotherapie vonnöten ist, entscheidet sich erst nach Gewebeentnahme bei der Operation. Im Moment wollen sie nicht darüber sprechen, aber den kleinen Jungs geht es gut. Kate hat eine sehr positive Einstellung und sagt sich: »Es
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