Gib dich hin (German Edition)
zu verlieren. Als er noch mal zu ihnen hinsah, hatten sich ihre Augen normalisiert. Das waren die Nerven! Ganz sicher waren es die Nerven!
Das alles durfte doch nicht wahr sein. Womit hatte er das verdient? Er ging durch den Flur, vorbei an den beiden Frauen, steuerte entschlossen auf die Tür zu und hatte doch das Gefühl, sich in Zeitlupe zu bewegen, obwohl er es eilig hatte. Cynthia! Er musste mit Cynthia sprechen! Sie steckte dahinter! Ganz bestimmt. Sie war die ganze Zeit gegen dieses Geschäft gewesen. Er fuhr zu ihr, klingelte Sturm, aber sie machte nicht auf. Verdammt! Hatten sich denn alle gegen ihn verschworen?
Nick stieg wieder in seinen Wagen, aber er fuhr nicht nach Hause, sondern ziellos durch die nächtlichen Straßen Berlins, ohne zu wissen, wie es nun weitergehen sollte. Schließlich setzte er sich in eine Kneipe und bestellte sich ein großes Bier. Seine schlechte Stimmung sah man ihm wohl an, niemand drängte ihm ein Gespräch auf, man ließ ihn in Ruhe, und das war ihm recht.
Die Bilder, die er soeben gesehen hatte, tauchten wieder vor seinem geistigen Auge auf. So einfach war also alles vorbei? Hatte sie nichts für ihn empfunden? War alles nur vorgespielt gewesen? Elendes Miststück. Sollte sie sich doch zum Teufel scheren. Da gehörte sie hin. Nick war nun wieder allein. Wahrscheinlich war das sein Schicksal. Der ewige Loser. Mein Gott, wie er das alles hasste. Im Nu hatte er das Bier ausgetrunken. Jetzt brauchte er etwas Kräftigeres, um den Schmerz zu betäuben.
Kapitel 18
Cynthia fühlte sich frei und überraschend gut, und das, obwohl sie vor genau acht Stunden ihren Job verloren hatte. Ansgar Henning hatte irgendetwas von Stellenkürzungen erzählt und ihr dann erklärt, dass er auf langjährige Mitarbeiter nicht verzichten wollte und es daher die Neueinstellungen traf. Sie hatte es kommen sehen, als sie Mandrakes Vertrag in tausend kleine Teile zerrissen und wie Konfetti auf ihr Bett hatte rieseln lassen. Diese Kündigung war für sie der Beweis, dass alles wieder seinen alten Gang ging und der Vertrag tatsächlich aufgelöst war. Allein durch diesen Umstand fiel ihr eine zentnerschwere Last von den Schultern.
Wirklich leid tat es ihr um ihren Job nicht, denn wohl hatte sie sich in dem riesigen Gebäudekomplex nicht gefühlt. Back to the roots, hieß das neue Motto, und sie durchwühlte bereits ihre alten Unterlagen, um den ursprünglichen Plan wieder aufzugreifen. Ihre eigene Mini-Werbeagentur. Es gab immer noch genügend kleinere Unternehmen, die für ihre Werbung kein Vermögen bezahlen konnten und somit auch nicht die finanziellen Mittel hatten, ein Unternehmen wie Henning Advertising zu beauftragen. Diese Leute würden ihre Arbeit nun auch endlich beachten, da sie sowohl Bodyline als auch Beauty Norma vorweisen konnte. Was wollte sie mehr?
Nachdem sie einen Großteil des Abends bei Anna verbracht hatte, um ihr von ihren Plänen zu berichten, saß Cynthia nun in ihrem Wohnzimmer, alle Formulare zum Thema Existenzgründung auf dem Boden verteilt, und genoss einen Zitronentee. Dampf stieg aus der Tasse empor, an der sie ihre Hände wärmte. Ihr Blick fiel immer wieder zur Uhr. Jetzt war es schon nach 22 Uhr, und Mandrake war immer noch nicht hier. Das war merkwürdig. Er hatte nie so lange auf sich warten lassen. Irgendetwas stimmte nicht. Sie spürte es tief in ihrem Inneren, ahnte, dass Mandrake gerade dabei war, sich in echte Schwierigkeiten zu bringen.
In seiner wahren Gestalt flog er über das dunkle Meer aus Dächern, kämpfte gegen den aufkommenden Wind an und trieb mit kräftigen Flügelstößen seinem Ziel unaufhaltsam entgegen. Die Aussicht unter ihm veränderte sich, die Häuser waren nun weiter verteilt, schneebedeckte Felder und Wiesen, sogar kleine Haine, tauchten unter ihm auf. Ein Unsterblicher vermochte viel schneller zu reisen, und so fand er sich nach einigen weiteren Flügelstößen in einem Gebirge wieder. Seine mächtigen Klauen gruben sich in den vereisten Stein, gaben ihm Halt, und er überblickte die Weite mit Augen, die bei Nacht genauso hell sahen wie menschliche Augen bei Tag, solange es irgendwo eine Lichtquelle gab. Und die gab es. Über ihm stand der Wintermond, rund und voll.
Mandrake erinnerte sich genau. Es war eine Ewigkeit her, und doch schien es ihm, als sei es gestern gewesen. Hier waren die Dämonen über ihn hergefallen, hatten ihn umstellt, fast bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt, und dann hatten sie ihn
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