Gib dich hin (German Edition)
hatte sich zu sehr auf den Gegner zu seiner Rechten konzentriert, als eine scharfe Klinge über ihm wirbelte und heftig auf ihn niedersegelte. Das Metall fuhr in seine Haut, durchtrennte Muskeln, Sehnen, zerschmetterte den Knochen und trat schließlich wieder heraus. Mandrake hörte nur seinen Herzschlag in den Ohren. Schnell, beängstigend schnell. Ein Rauschen, ein Pochen. Er fühlte nichts. Keinen Schmerz. Die Zeit stand still. Er nahm alles um sich herum verlangsamt wahr. Die Fratzen der Dämonen wirkten entstellt und verzerrt, so als hätte jemand auf einen Pausenknopf gedrückt.
Aber dann bewegten sie sich wieder. Mächtige Schwingen flatterten vor seinen Augen, erzeugten einen Luftsog. Und dann war er da. Heiß und brennend. Ein unerträglicher Schmerz. Seine Klinge fiel in die Tiefe, kam dumpf im dichten Schnee auf.
Plötzlich packten sie ihn. Ein Dämon griff nach dem Stumpf an seinem Arm, drehte ihm diesen auf den Rücken. Mandrake schrie vor Schmerz auf, versuchte sich mit der ihm verbliebenen Hand zu wehren, mit den nackten, klauenbespickten Füßen nach den Angreifern zu treten. Doch sie warfen sich einfach auf ihn und sausten mit ihm auf die Erde herab, wo sie ihn in den Schnee drückten, ihn festhielten und ihm Ketten anlegten, so dass er sich nicht mehr rühren konnte.
Kapitel 19
Mehrere Tage waren vergangen, seit Cynthia Mandrake das letzte Mal gesehen hatte. Sie hatte inzwischen eine Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich, hatte ihn dafür gehasst, dass er ohne ein Wort aus ihrem Leben verschwunden war, hatte sich Sorgen um ihn gemacht, weil sie fürchtete, es sei ihm etwas zugestoßen, und gelitten, weil sie ihn so schrecklich vermisste. Jeden Morgen war sie auf den Balkon hinausgegangen und hatte zum alten Museum hinübergeblickt, in der Hoffnung, dort den kleinen Wasserspeier zu entdecken. Aber die Stelle über dem riesigen Fenster blieb leer.
Wo war er? Wo sollte sie ihn suchen? Wie konnte sie ihn finden? Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte keinen Anhaltspunkt, wusste nicht einmal, ob er wie jeder Normalsterbliche eine Wohnung hatte oder wo er sich sonst aufhalten könnte. Sie hatte im Internet recherchiert, dort nach ihm gesucht, aber nicht ihren Mandrake gefunden. Sie war durch die Stadt gefahren, hatte nach Wasserspeiern auf den Dächern Ausschau gehalten in der Hoffnung, ihn irgendwo zu entdecken. Fehlanzeige.
Nach allem Bangen, vielen schlaflosen Nächten, keinem einzigen Erfolg und unzähligen Tränen fühlte sie sich leer und ausgebrannt. Hinzu kam ein schrecklicher Streit mit Nick, der ihr schwere Vorwürfe gemacht hatte, weil sie sich in seine Angelegenheiten eingemischt hatte, und ihr die Schuld dafür gab, dass Maddy verschwunden war und sein Geld sich in Luft aufgelöst hatte, wodurch er erneut in der Schuldenfalle saß. Schlimmer! Seine Schulden waren jetzt sogar noch höher als zuvor. Obwohl sie durchaus Verständnis für seine Lage hatte, fand sie ihn doch auch undankbar, schließlich hatte sie alles dafür getan, dass er seine Seele zurückbekam. Doch das wusste er nicht im Geringsten zu schätzen. Wahrscheinlich war ihm die Bedeutung nicht einmal richtig bewusst. Jedenfalls sprach er jetzt kein Wort mehr mit ihr, und Cynthia fühlte sich dadurch noch elender. Sie hatte ein paar Nächte bei Anna verbracht, aber wirklich abgelenkt hatte sie das auch nicht. Zumindest ging es jetzt bei Anna und Gregor wieder bergauf. Das war ein Trost. Wenn auch ein kleiner.
Wann immer das Telefon läutete oder es an der Tür klingelte, sprang sie in der Hoffnung auf, dass es Mandrake war. Doch ihre Hoffnung wurde immer wieder enttäuscht. Nun hatte sie keine mehr. Sie musste sich damit abfinden, dass er fort war, wahrscheinlich nie mehr zurückkam. Eigentlich sollte sie doch darüber froh sein. Er war ein Teufel gewesen. Aber dieser Teufel hatte die zärtlichsten Hände besessen, die sie je berührt hatten.
Am Abend desselben Tages, an dem sie beschloss, endgültig abzuschließen und ein neues Leben zu beginnen, klingelte es unverhofft an ihrer Tür. Cynthia, die bis eben noch völlig vernünftig gewesen war, spürte erneut Hoffnung in sich aufsteigen. Rasch flitzte sie durch den Flur und riss die Tür im Überschwang auf. Aber dort stand nur Tom, dessen Gesicht wieder normal aussah. Sie spürte, wie ihre Miene einfror.
»Ich weiß, was du denkst. Was will dieser Mistkerl hier, hab ich recht?«, sagte er hastig, weil er vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher