Gib mir deine Seele
sie sich kürzlich gekauft hatte, war genau das Richtige. Sommerlich, ohne zu viel von ihr preiszugeben. Der Blick in den Spiegel zeigte ihr eine schmale Gestalt mit kaum gebändigten Locken, die bloßen Arme mit klimpernden Silberarmreifen geschmückt und leichte Sandalen an den Füßen. Sie mochte diese knöchellangen Kleider, und Constantin nannte sie in Erinnerung an die Nacht auf der Inselmanchmal Midsummer Queen , wenn sie eines davon trug. Dieses war allerdings gefüttert und längst nicht so durchsichtig.
Schnell nahm sie eine Kopfschmerztablette, setzte ihre sündhaft teure Duchess-of-Cambridge -Sonnenbrille auf und lief dann eilig die Stufen des Treppenhauses hinunter, um David nicht zu lange warten zu lassen.
Er musterte sie und nickte. »Du wirst immer schöner. Der Erfolg bekommt dir.«
Gemeinsam gingen sie die kurze Strecke zum Café, in dem bei ihrer Ankunft zufällig ein Tisch direkt am See frei wurde. Unterwegs hatte David erzählt, wie sich seine Karriere entwickelte und dabei vollkommen normal gewirkt. Vielleicht hatte sie wegen der Kopfschmerzen einfach nur überreagiert.
Gerade waren die Getränke bestellt, da tauchte auch schon Henry auf und winkte ihnen fröhlich zu, während sie ein bunt bemaltes Fahrrad anschloss, das sie sich für ihren Aufenthalt in Hamburg billig auf einem Flohmarkt gekauft hatte.
»David, wie schön, dich zu sehen.«
»Hallo«, begrüßte er sie mit deutlich weniger Enthusiasmus. Doch dann schien er sich seiner Manieren zu besinnen und stand auf, um sie mit den zwei obligatorischen gehauchten Küsschen zu begrüßen.
Henry erzählte vom heutigen Meeting, an dem anfangs auch die Bühnen- und Kostümbildner teilgenommen hatten, danach schwärmte sie für die Fotografien, die sie von David gesehen hatte.
Pauline sagte: »Sie sind wirklich toll! Henry kauft jede Zeitschrift mit deinen Veröffentlichungen, die sie kriegen kann.«
Geschmeichelt ließ sich David dazu verleiten, Anekdoten von den Fotoreisen zu erzählen, während Pauline still über die Alster blickte, dankbar, dass die Kopfschmerzen nachgelassen hatten. Henry war gerade dabei, ihre neue Wohnung in München zu beschreiben, als Paulines Handy klingelte.
Constantin.
Sie entschuldigte sich und suchte nach einem Ort, an dem sie ungestört telefonieren konnte. »Ich vermisse dich«, sagte sie schließlich und sah dabei aufs Wasser hinaus.
»Tatsächlich?«, fragte er. Die Wärme in seiner Stimme war ihr Zeichen genug, dass er sich darüber freute. »Deshalb habe ich beschlossen, früher nach Hause zu kommen.«
Nach Hause , das hieß in diesem Fall zu dir , denn ein richtiges Zuhause hatten sie ja beide nicht. Pauline spürte das vertraute Flattern in ihrem Bauch. »Wann?« Wie immer erhob sich ein erwartungsvolles Summen in den für erotische Verheißungen sehr empfänglichen Regionen ihres Körpers … und dies ganz ohne physikalische Stimulierung. Die Lustkugeln trug sie heute nicht.
»Jetzt«, sagte er. »Ich wollte dich nur vorwarnen, ich bringe Nicholas mit.«
Im Hintergrund hörte sie Nicholas protestieren.
»Sag ihm, er ist willkommen. Allerdings bin ich nicht in der Wohnung, sondern im Café Bobby Reich.« Sie holte tief Luft. »Constantin, bitte reg dich nicht auf, aber David ist hier.«
Eine Autotür klappte, und die Hintergrundgeräusche verstummten, offenbar waren beide Männer in ein Taxi gestiegen, denn sie hörte Nicholas mit dem Fahrer reden.
»Wir sind in fünfzehn Minuten bei dir«, sagte Constantin. Alle Freundlichkeit war aus seiner Stimme entwichen.
Wenn er ihre Gespräche grußlos beendete, bedeutete das entweder Sex oder Ärger. Mit Sex war unter diesen Umständen nicht zu rechen.
Als hätte ich mir unser Wiedersehen nicht auch anders vorgestellt! , dachte sie und ging zur Toilette, um sich zur Beruhigung kaltes Wasser über die Handgelenke laufen zu lassen. Es war ein warmer Tag, und die Vorahnung eines Gewitters lag in der Luft.
Sie saß noch nicht lange wieder auf ihrem Stuhl, da hörte sie eine der Frauen am Tisch hinter ihr mit heller Stimme unüberhörbar sagen: »Mädels, seht mal unauffällig zum Eingang.«
Die Ohs und Ahs, die darauf folgten, waren alles andere als unauffällig.
Pauline ahnte, wen sie meinten.
Constantin und Nicholas hatten keine zehn Minuten bis hierher gebraucht. Beide trugen Anzüge, denen man die Maßarbeit auch aus der Entfernung ansah. Trotz der Weste über den schneeweißen Hemden wirkten sie kühl und unnahbar wie Wesen aus einer anderen
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