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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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erstaunlicherweise saßen mindestens ebenso viele Frauen wie Männer im Publikum, johlten, pfiffen und applaudierten voller Begeisterung. Constantin und Nicholas, der mit von der Partie war, gaben sich blasiert. Doch Pauline beobachtete die beiden und wusste, dass auch sie den Anblick der attraktiven Körper genossen.
    Es kam ihr vor, als hätte sich ihr an jenem Abend eine vollkommen neue Welt eröffnet. Die sinnlichen Bewegungen der Tänzerinnen, die mitreißende Musik und nicht zuletzt die rauchige Stimme der Sängerin hatten es ihr angetan.
    Später las sie im Internet, dass Nadja, eine der Künstlerinnen, einen Burlesque-Tanzkurs anbot, und sie meldete sich kurzerhand an. Den Probenplan für Don Carlos würde sie zwar erst in den nächsten Tagen erhalten, aber sollte es Überschneidungen geben, fände sich dafür bestimmt eine Lösung. Constantin verriet sie nichts von ihren Plänen, sie wollte ihn überraschen.
    Zur ersten Stunde musste sie nicht einmal heimlich gehen. Constantin war in Schottland, um den Nachlass eines kürzlich verstorbenen Earls zu sichten. Dessen einzige Tochter wollte einige Gemälde verkaufen, um den Stammsitz der Familie zu renovieren und ein Hotel darin zu eröffnen. Pauline wusste, dass die enorm hohe Erbschaftssteuer in Großbritannien manch einen Adelsspross in Schwierigkeiten brachte. Die Folge war ein Ausverkauf von jahrhundertealten Kunstwerken, die dann in irgendwelchen Tresoren gieriger Multimillionäre landeten.
    Constantin hatte zugegeben, als Sammler häufig ebenfalls von der Not dieser Erben profitiert zu haben.
    »Aber immerhin leihe ich meine Kunst gelegentlich an Museen aus, damit alle Menschen die Chance haben, sich daran zu erfreuen.«
    »Wenn auch nicht unter deinem Namen.«
    »Glaube mir, es ist besser, wenn sich jemand wie ich vom Rampenlicht fernhält.« Er hatte sie geküsst und hinzugefügt: »Nun habe ich ja eine berühmte Frau. Das genügt meinem Ego.«
    Während ihr Mann, sie hatte sich noch nicht so recht an diesen Begriff gewöhnen können, also in Schottland in einem alten Schloss saß, schwang sie sich auf ihr kürzlich erworbenes Fahrrad und fuhr ins Schanzenviertel, um dort die Geheimnisse des erotischen Entkleidens zu kennenzulernen.
    Obwohl sie gerade dabei war, ihre rudimentären Kenntnisse der deutschen Sprache zu erweitern, hätte das, was sie bisher gelernt hatte, kaum ausgereicht, um sich im Alltag zurechtzufinden. In Barcelona hatte sie sich ganz passabel mit Französisch durchgeschlagen, in Hamburg gab es erstaunlich viele hilfsbereite Leute, die zumindest etwas, meist sogar recht gutes Englisch sprachen. Die Anmeldung zum Kurs war via Internet gelaufen, und nun hoffte sie, dass sie irgendwie verstehen würde, was die Lehrerin ihr sagte.
    Sie hätte sich keine Gedanken zu machen brauchen. Vor der Tür des Clubs, in dem der Unterricht stattfinden sollte, standen bereits drei Frauen, die sich auf Englisch unterhielten. Die eine, etwa in ihrem Alter, stammte aus Israel und verbrachte den Sommer bei Verwandten, wie sie sofort bereitwillig erzählte.
    »Eigentlich, um Deutsch zu lernen«, sagte Yael lachend. »Aber sobald die Hamburger meinen Akzent hören, sprechen sie Englisch mit mir.«
    Die zweite arbeitete als Bookerin für eine Modelagentur, weil sie mit Anfang dreißig selbst kaum noch Aufträge bekam, wie sie freimütig gestand. Die dritte hieß Marie, war Sekretärin in einer Reederei und sprach ein erstklassiges Englisch.
    Bald gesellten sich eine Studentin der Rechtswissenschaften und eine zurückhaltend wirkende Brünette hinzu, die Pauline neugierig betrachtete, sobald sie sich unbeobachtet fühlte.
    Vielleicht, dachte sie, interessiert sie sich für die Oper und hat mein Bild gesehen. Vorgestern war sie von der Hamburger Morgenpost interviewt und prompt gestern beim Bäcker um die Ecke erkannt worden.
    »Ich kann dir übersetzen, wenn muss. Aber Tanz ist selbst erklären«, meinte Yael in fröhlich klingendem Deutsch.
    Zum Schluss kam noch eine siebte Teilnehmerin hinzu. Sie stellte ihr Rennrad ab und begrüßte die Wartenden. Die Frau mochte etwa in Paulines Alter sein und sah aus, als sei sie mit ihren schmalen Hosen, Ballerinas und der gepunkteten, taillierten Bluse aus einer Zeitmaschine gefallen. Auf den zweiten Blick sprachen allerdings die farbenfrohen Tattoos, die ihre Arme bedeckten, die unzähligen Piercings und ganz gewiss der pinkfarbene Pferdeschwanz gegen eine Zeitreisende aus den Fünfzigerjahren.
    Sie setzte ihre

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