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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Regen. Als sie sich umdrehte, hob er die Hand zum Gruß und fuhr davon. Constantin kannte die Theaterwelt gut genug, um zu wissen, dass er ihr kein Glück wünschen durfte. Die Worte, die er stattdessen gefunden hatte, hallten lange in ihr nach. Du bist eine Königin. Dir gehört die Welt.
    In der Garderobe wartete bereits ihre Maskenbildnerin; leider nicht Lilly, die man ausgerechnet für die intrigante Prinzessin Eboli, im Stück ihre Hofdame, eingeteilt hatte.
    Sie war zehn Minuten zu spät. »Das ist mir noch nie passiert, Annette«, entschuldigte sie sich. »Auf der Straße war die Hölle los.«
    »Wir haben genügend Zeit.« Annette lächelte beruhigend.
    Pauline vermied es, ihr Spiegelbild lange zu betrachten. Also schloss sie die Augen und dachte an die Generalprobe und das schwere Holzkreuz, das plötzlich mit einem fürchterlichen Krachen umgefallen war, sodass das Orchester den Takt verloren hatte. Anschließend waren sich alle einig gewesen, dass es ein gutes Omen war. Die Premiere werde nach diesem Malheur ein Riesenerfolg, versicherten sie einander gegenseitig. Nur Anaya hatte nach dem kleinen Kreuz gegriffen, das sie immer trug, und etwas gequält gelächelt. Für sie war der Sturz dieses mächtigen Symbols der Christenheit kein gutes Zeichen, und sie hatte in Bezug auf sich recht behalten.
    »Fertig.« Annette klang zufrieden.
    Pauline öffnete die Augen. »Wow! Das sieht toll aus, vielen Dank.« Ihre Haarfülle war zwar gebändigt, aber die Locken ringelten sich glänzend über ihren Rücken. Annette verstand ihr Handwerk. Die historische Elisabeth de Valois war bei ihrer Eheschließung erst vierzehn Jahre alt gewesen, und Pauline fand, dass sie keinen Tag älter aussah als … nun ja, sechzehn vielleicht. »Ich bin wieder ein Teenager«, lachte sie. »Und das ganz ohne Photoshop.«
    »Na, hoffentlich stellen sich nicht die gleichen Probleme ein, die wir in dem Alter hatten.« Die Garderobiere war schon vor einer Weile hereingekommen, um noch einmal alle Kostüme zu überprüfen. Nach ihrem Streit war nicht mehr die Rede davon gewesen, dass Henry diese Aufgabe übernehmen würde.
    »Das wäre allerdings weniger schön. Damals habe ich noch ein bisschen anders gesungen«, sagte Pauline.
    Alle drei lachten.
    Während Annette Pinsel und Schwämmchen auswusch, ließ sich Pauline ins Kleid helfen. Der glänzend blaue Satin stand ihr gut, und sie fühlte sich trotz des ungewohnt langen und weiten Rocks wohl darin. Die späteren Staatsroben waren ziemlich steif und schon durch ihr schieres Gewicht weniger angenehm zu tragen.
    Es klopfte, und die Abendspielleiterin schaute herein. »Alles in Ordnung?«
    Pauline nutzte die Gelegenheit, sich nach Anaya zu erkundigen, und erfuhr, dass sie zwar noch eine Nacht zu Kontrolle im Krankenhaus bleiben musste, aber sich keine weiteren Komplikationen eingestellt hatten.
    Gleich darauf knackten die Lautsprecher, und der Inspizient teilte ihnen mit, dass die Vorstellung in zehn Minuten beginnen würde. Pauline atmete noch einmal durch, gab einige merkwürdige Laute von sich, von denen Elena behauptete, sie würden der Stimme guttun, und ging zur Bühne, um dort in der Seitengasse auf ihren Auftritt zu warten.
    Jonathan gesellte sich zu ihr. Er wirkte leicht gehetzt, aber diese Marotte, in letzter Sekunde aufzutauchen, um sich damit den notwendigen Adrenalinkick zu holen, kannte sie schon. Er drückte ihr kurz die Hand. Gemeinsam lauschten sie der Ouvertüre, und Pauline trat in eine andere Welt ein, in der es nur Musik, Gesang und das berührende Schicksal der Elisabeth de Valois gab.
    Vier Stunden später kehrte sie zurück und hätte nicht sagen können, ob ihnen die Premiere geglückt war, wären die Zuschauer nicht vor Begeisterung aufgesprungen, um die Künstler frenetisch zu feiern.
    Schon vorab war festgelegt worden, wann sich wer mit wem zu verbeugen hatte, aber als Pauline aus ihrem »Traum« erwachte und zum ersten Mal die Kameras sah, die für die Aufzeichnung und Übertragung zuständig waren, hatte sie alles vergessen. »Ich habe einen totalen Blackout«, sagte sie zu Jona than, der gerade aus der Unterbühne zurückgekehrt war.
    Lachend wirbelte er sie herum. »Gut, dass das erst jetzt passiert. Du warst einzigartig, Pauline. Richte dich schon mal darauf ein, dass dein Telefon in den nächsten Tagen nicht mehr stillstehen wird.« Dann nahm er ihre Hand. »Komm, jetzt sind wir dran!«
    Sie liefen hinaus, und der Applaus brandete auf, die Leute riefen

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