Gib mir deine Seele
»Bravo« oder trampelten laut. Der Saal stand Kopf – so etwas hatte Pauline bisher nur bei anderen Künstlern erlebt.
Jonathan hielt sich die ganze Zeit an ihrer Seite und machte auch auf der Bühne keinen Hehl aus seiner Bewunderung. Er ließ ihr galant den Vortritt, sammelte Blumen für sie ein und achtete darauf, dass sie im Vergleich zu den anderen Kollegen nicht zu kurz kam.
Schließlich erschienen auch Bühnen- und Kostümbildner, der Regisseur und die Dirigentin auf der Bühne, um ihren verdienten Applaus entgegenzunehmen, während sich die Sänger unauffällig zurückzogen.
Jonathan begleitete Pauline zu ihrer Garderobe und öffnete die Tür für sie. »Sag Constantin, er soll gut auf dich aufpassen. Die Organisation der nächsten Tage solltest du am besten unserer tüchtigen Agentin überlassen.«
Pauline drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. »Danke für alles!«
»Gern geschehen«, sagte er und ging davon.
Sie schloss die Tür hinter sich und blieb überrascht stehen.
Constantin saß in ihrer Garderobe und sah einfach fabelhaft aus. Der seidige Schimmer seiner nachtschwarzen Haare fand eine Entsprechung in den glänzenden Aufschlägen des Abendanzugs. Die blauen Augen hatten nie intensiver geleuchtet, und sein fein gemeißelter Mund verzog sich zu einem verheißungsvollen Lächeln.
»Komm her, meine Königin!«
Folgsam setzte sie sich in Bewegung, flüsterte seinen Namen und ließ sich ihm schließlich in die Arme fallen.
Constantin küsste sie, aber er schien mit seinen Gedanken anderswo zu sein. »Jonathan hat recht. Die Leute werden sich um dich reißen. Hör zu, ich habe einen Plan.«
»Hast du den nicht immer?«
»Meistens«, gab er zu, und sie lachten gemeinsam. »Punkt eins des Plans lautet: Wir werden auf die Premierenparty gehen.«
Sie wollte widersprechen, doch er legte ihr den Finger auf die Lippen. »Wenn du genau tust, was ich dir sage, haben wir das in höchstens einer Stunde erledigt. Ich habe dir ein Kleid mitgebracht, darin können sie dich fotografieren. Aber du beantwortest keine Fragen, okay?«
»Ich bin doch kein Rock-Star, der von Fans umlagert wird«, versuchte sie zu protestieren.
» Ma petite , diese Aufführung haben mindestens 100.000 Leute gesehen. Ich wette, jeden Einzelnen hast du mit deiner Stimme verzaubert«, sagte er nachsichtig. »Glaubst du wirklich, dass sich die Presse nicht für dich interessiert?«
»Ich kann mich an nichts erinnern!«
»Wie bitte?«
»Ich habe keine Erinnerung an die gesamte Vorstellung.« Panik stieg in ihr auf. »Constantin, ich hätte auch klingen können wie eine singende Säge, ich hätte es nicht bemerkt.«
Nachdenklich sah er sie an. »Du solltest bei Gelegenheit mit Jonathan darüber sprechen. Es kommt mir manchmal so vor, als verlöre er sich ebenso wie du in seiner Rolle. Aber nicht jetzt«, fügte er hinzu, als sie sich umdrehen und nach ihrem Handy suchen wollte. »Du tust genau, was ich dir sage, in Ordnung?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür. »Sie können reinkommen.«
Annette warf Constantin einen furchtsamen Blick zu. »Was soll ich tun?«
»Abschminken und die Frisur machen, die sie im ersten Akt hatte.«
»Constantin!« Pauline schämte sich für seinen befehlsgewohnten Ton, aber er hörte ihr gar nicht mehr zu, sondern sprach mit jemandem vor ihrer Garderobe. »Interviews arrangieren Sie mit der Agentur.« Seine Stimme klang freundlich, aber Pauline erkannte den Stahl darunter. Sie wunderte sich nicht, als sie einen Wortschwall hörte, der nach einer Entschuldigung klang.
»Annette, ich weiß, dass er manchmal ein bisschen überwältigend sein kann. Aber wären Sie so lieb, mir ein leichtes Make-up aufzulegen? Männer haben von diesen Dingen keine Ahnung.«
»Das habe ich gehört«, knurrte er. In einer Hand das Handy, ließ er sie dennoch nicht aus den Augen. Selbst über den Spiegel schien sich der Blick, mit dem er sie bedachte, direkt in ihre Haut einzubrennen. Seine Präsenz war wirklich einschüchternd, wenn er sich in dieser Stimmung befand. Bei Gelegenheit musste sie ihm das sagen.
Wenig später drückte Constantin Annette eine vermutlich beträchtliche Summe in die Hand. »Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Darf ich Sie bitten, alles, was in diesen Räumen gesprochen wird, vertraulich zu behandeln?«
»Selbstverständlich!«
»Habe ich Ihr Wort?«
»Natürlich, Herr Dumont.« Annette blieb vor ihm stehen wie das sprichwörtliche Reh im
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