Gib mir deine Seele
antwortete ihm. Nicholas.
Er hatte nie wieder versucht, sie zu küssen, obwohl er hemmungslos mit ihr flirtete, sobald sie sich darauf einließ. An manchen Abenden spielten sie Backgammon oder saßen einfach faul vor dem Fernseher. Manchmal brachte er Hamburger mit, die köstlicher waren als alle, die Pauline jemals zuvor gegessen hatte.
Sie nannten es ihr »schmutziges Geheimnis«, obwohl Constantin davon wusste, seit er einmal früher nach Hause gekommen war.
Nachdem Nicholas gegangen war, hatte sie ein wenig bang gefragt, ob er jetzt verärgert sei, aber Constantin hatte nur gelacht. »Natürlich nicht, es ist dein Leben, und wenn du Appetit auf tote Tiere hast …«
»Igitt. So wie du das sagst, klingt es gemein.« Sie schüttelte sich und nahm sich wieder einmal vor, in Zukunft diesen Verlockungen zu widerstehen. »Das meine ich aber nicht. Ich wollte wissen, ob es dich stört, wenn Nicholas rüberkommt, obwohl du nicht da bist.« Nicht selten verbrachten sie ihre Abende auch zu dritt, gingen tanzen oder ins Kino.
Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und küsste sie. »Ich bin viel unterwegs, und deine Freunde leben in London oder haben sich in alle Winde verstreut. In diesem Beruf sitzt man oft allein in Hotelzimmern, das tut einem Menschen nicht gut. Ich möchte, dass du glücklich bist, Pauline. Solange du weißt, zu wem du gehörst, kannst du mit Nicholas tun, was du willst. Wobei es mir lieber wäre, du tätest es nicht in der Öffentlichkeit.« Damit hatte er ihr eine aufgeschlagene Klatschzeitung hingelegt, in der ein Foto von ihr abgedruckt war, auf dem sie in Nicholas’ Armen lag.
»Ich bin gestolpert«, sagte sie. »Er hat mich aufgefangen. Was steht da?« Die Bildunterschrift konnte sie nicht lesen.
»Man fragt sich, ob deine Affäre mit mir vorüber sei.«
»Die haben ja keine Ahnung. Sie hat gerade erst begonnen.«
»Sag mir, Pauline Dumont, heiratest du all deine Affären?«, fragte er und küsste sie leidenschaftlich.
Als er den Kopf gebeugt hatte, um ihren Hals zu erkunden, hatte sie nur geflüstert: »Nur die, die so gut küssen können wie du.«
»Pauline, bist du wach?« Constantin saß mit dem Telefon in der Hand auf ihrer Bettkante.
Sofort schreckte sie hoch. »Wie spät ist es? Hat die Staatsoper schon angerufen?«
»Beruhig dich. Es ist erst eins. Du wirst allerdings heute singen.«
»O Gott! Ist mit Anaya alles in Ordnung?«
»Jetzt schon, aber sie musste in der Nacht mit Blutungen in die Klinik, und die Ärzte raten ihr dringend davon ab, in den nächsten Tagen aufzutreten.«
Pauline spürte, wie sie blass wurde. »Heißt das …«
»… dass du alle Aufführungen singen wirst? Unter Umständen ja.« Er sah sie an. »Freust du dich nicht?«
»Wie kann ich mich freuen, wenn Anaya solche Probleme hat?«
»Siobhan sagt, es ginge ihr nicht schlecht. Sie wolle nur kein Risiko eingehen. Offenbar hat sie schon einmal ein Kind verloren.«
»Die Arme. Es tut mir so leid für sie.«
Er stand auf. »Das ist deine Chance, Pauline. Nutze sie!«
»Das werde ich.« Pauline schwang die Beine aus dem Bett. »Das werde ich ganz bestimmt.«
Nach dem verspäteten Frühstück verfiel sie in die gleiche Routine, die jeden Tag bestimmte, an dem sie auftrat. Premiere oder nicht, eine Aufführung verlangte sorgfältige Vorbereitungen und absolute Konzentration.
Es regnete immer noch, als Constantin sie zur Staatsoper brachte. Der Verkehr war zähflüssig, und sie brauchten viel länger als sonst. Als er vor dem Bühneneingang hielt, zog Pauline ihren Ring vom Finger. »Wenn ich ihn nicht tragen kann, soll er auch nirgendwo herumliegen.«
»Ist das dein Ernst?« Constantin wirkte nicht begeistert von ihrer Idee.
»Meine Mondkette wird mir Glück bringen. Bitte pass gut auf ihn auf, er bedeutet mir sehr viel.«
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er ihren Ring auf den kleinen Finger steckte. »Ich werde ihn so sicher hüten, als wäre er dein Herz.«
Mein Herz kannst du nicht behüten , dachte sie, und ein großes Bedauern erfüllte ihre Seele. Ihre Mutter war jung gestorben und hatte bis dahin trotz ihrer Bemühungen wenig vom Leben gehabt. Für sie sollte das anders sein. Sie wollte jeden Tag auskosten, als wäre es ihr letzter. So wie sie stets sang, als wäre es das letzte Mal.
»Bis später, ma petite .« Er schien ihren Stimmungswechsel nicht bemerkt zu haben. »Vergiss niemals, du bist eine Königin, Pauline. Dir gehört die Welt.«
Schnell lief sie durch den
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