Gib mir deine Seele
jedenfalls nicht ohne triftigen Grund. Deshalb gab es im Fundus eben nur falsche Leuchter. Der Parkettboden war mit dicken Teppichen ausgelegt, und unsichtbare Lichtquellen verbreiteten genau die Stimmung, die für ihr Vorhaben erforderlich war.
»Umziehen können wir uns in einem Nebenraum. Da ist es allerdings ziemlich frisch, ich habe die Heizung nur hier eingeschaltet. Sie ist uralt und verschlingt ein Vermögen.«
Zumindest funktionierte sie, Pauline fand es warm. Als sie eine Bemerkung dazu machte, sagte Lilly: »Ich weiß, die kann nur Sahara oder Südpol.«
»Dann also Sahara«, sagte Pauline und zog ihre Jacke aus. Im Vorbeigehen inspizierten sie noch die Bar. Polierte Gläser standen auf Tabletts, und in einem dezent verborgenen Kühlschrank gab es Champagner und Wasser, außerdem eine Musikanlage.
»Ich hatte mal was mit einem Tontechniker.« Lilly drückte einen Knopf, und der Raum war plötzlich erfüllt von leiser Klaviermusik und Geräuschen, die den Eindruck erweckten, sie befänden sich nicht allein im »viktorianischen Bordell«. Fröhlich zwinkerte sie Pauline zu. »Genialer Musiker, aber leider ein egoistisches Arschloch im Bett.«
»Das kann niemand gebrauchen.« Pauline mochte Lillys schnörkellose Sprache. Sie zeigte auf eine Tür hinter der improvisierten Bühne. »Da ziehen wir uns um?«
»Genau.«
Im kleineren Nebenraum sah es aus wie in der Maske eines Filmsets. Zumindest stellte sie sich das so vor und fragte: »Bist du übermorgen beim Videodreh engagiert?«
»Ab Schlag fünf Uhr. Ich hasse dieses frühe Aufstehen, aber ich arbeite viel lieber für Film- oder Videoaufnahmen. Die Leute sind lustiger als in der Oper.«
Es klingelte.
»Das ist Yael. Warte, ich mache ihr schnell auf.«
Yael hatte sich sofort bereit erklärt, ihnen zu helfen. Sie würde die Gäste einlassen und an ihren Platz begleiten. Mit ihrer zierlichen Figur und der liebenswürdigen Art, auf Menschen zuzugehen, gelang es ihr im Handumdrehen, Vertrauen zu schaffen. Eine Qualität, die nützlich sein konnte, wenn Constantin demnächst hier aufschlagen würde. Außerdem führten ihre Verwandten ein Deli nach New Yorker Vorbild, und Yael hatte versprochen, einen Fresskorb mit Leckereien mitzubringen. Vegetarisch, hatte sie gesagt, sei überhaupt kein Problem.
»Du solltest sehen, was sie alles mitgebracht hat«, schwärmte Lilly. »Ich könnte mich glatt daran vollfressen.«
»Dann siehst du nachher an der Stange wie ein Sack Zement aus. Komm, wir müssen uns beeilen. Constantin wartet nicht ewig, und ich wette, er ist sich nicht zu schade, notfalls mein Handy zu tracken.
»Das kann er?«, fragte Yael interessiert, und ihre Augen leuchteten. Im Spa hatte sie von ihrer Militärzeit erzählt, in deren Verlauf sie auch mit dem Geheimdienst zu tun gehabt haben musste.
Pauline sah auf die Uhr. »Ich fürchte, ja. Die Fahrt hierher dauerte etwa eine halbe Stunde. Wir haben genügend Zeit, wenn ich ihm jetzt die Adresse schicke, was meint ihr?«
Ihre Freundinnen versicherten ihr, dass sie sogar noch schneller fertig sein würden, woraufhin Pauline ihr Handy hervorzog, die sieben Anrufmeldungen ignorierte und Hausnummer und Straße eintippte, in der die Villa stand. Bring Nicholas mit , fügte sie hinzu und drückte auf Senden .
Als sie damals gemeinsam Nadjas Burlesque-Show gesehen hatten, war ihr das Glitzern in Nicholas’ Augen nicht entgangen. Damit konnten sie natürlich nicht mithalten, aber ihr kleines Geschenk an Constantin würde nicht weniger wert sein, wenn die beiden Freunde es miteinander teilten. Außerdem konnte er Ablenkung gebrauchen; mit Henry lief es immer schlechter, und heute war sein Geburtstag.
Sie wusste das so genau, weil Henry sie in der vergangenen Woche angerufen hatte, um sich zu beschweren, dass Constantin ihren Freund »um die halbe Welt« schleppte, obwohl sie ihn anlässlich seines »Ehrentages« zu einer Charity-Gala eingeladen hatte, die ihre Eltern jedes Jahr ausrichteten.
»Ich finde es total anständig von meinem Vater, dass er ihn eingeladen hat. Schließlich ist Nicky nur so eine Art Sekretär. Nicht mal studiert hat er. Er hätte wichtige Kontakte knüpfen und unter Umständen eine andere Anstellung finden können.«
Pauline hatte sich die Beschwerde angehört, aber kaum etwas dazu gesagt. Sie war sich sicher, hätte Nicholas diesen Tag mit Henry verbringen wollen, wäre er heute in München.
Ihrer Meinung nach hatte er Trost verdient, und wer weiß, was nach der Show
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