Gib mir deine Seele
schickte Pauline eine SMS an Constantin: Bin in Ealing. Party bei David. Love you.
Kaum hatte sie die Nachricht abgeschickt, klingelte ihr Handy.
»Das ist nicht dein Ernst!«
Pauline seufzte innerlich. »Es ist Freitagabend! Ich hatte keine Lust, allein im Hotel zu sitzen, und wollte ins White Lion. So wie früher. Aber da war niemand, und wenn ich schon mal in der Gegend bin …«
»Das gefällt mir nicht.«
»Ich weiß. Aber es sind bestimmt eine Menge Bekannte aus dem Pub dort, sogar Leo und Mag sind da. Komm doch auch, dann können wir später zusammen nach Hause fahren.«
»Worauf du dich verlassen kannst.«
Inzwischen hatte sie Davids Atelier erreicht. Die Musik war bis auf die Straße zu hören, und unter dem Vordach, das zur ehemaligen Laderampe gehörte, standen in kleinen Gruppen Leute, die sie nicht kannte. Dem Aussehen nach zu urteilen gehörten sie zu seinen Model-Freunden.
Sie klappte den Schirm zu und ging hinein. Das Studio war voller als die meisten Clubs, die Pauline in letzter Zeit besucht hatte. Die Musik war für ihren Geschmack zu laut, Fremde drängten sich an ihr vorbei, in einer Ecke wurde getanzt, überall standen Sofas und Bänke, ein Buffet war vor der Küchenzeile, an der es sonst nur Kaffee gab, aufgebaut. Eigentlich sah alles nach einer großartigen Party aus, aber auf den ersten Blick konnte sie niemanden aus ihrer alten Clique sehen.
Pauline mochte nicht ganz so dünn sein wie die meisten Mädchen hier, aber an ihrer Figur war nichts auszusetzen. Unwillkürlich musste sie lächeln. Noch vor einem halben Jahr hätte sie sich unter so vielen schönen Menschen unwohl gefühlt. Heute wusste sie um ihre Ausstrahlung und genoss die interessierten Blicke der Männer, als sie den Mantel auszog und sich nach einem Platz umsah, wo sie ihn ablegen konnte.
Ein blonder Mann, der etwas Ähnlichkeit mit Nicholas hatte, sah gleich zweimal zu ihr rüber und rief dann: »Pauline? Bist du es wirklich?«
»Mike!« Endlich ein vertrautes Gesicht. Mike war Grafiker und verdiente sein Geld mit Illustrationen für Kinderbücher.
»Lass dich ansehen.« Er hielt sie auf Armeslänge entfernt. »Du bist noch schöner geworden«, sagte er und küsste sie anschließend zur Begrüßung leicht auf die Wangen. »Komm, der harte Kern sitzt dort hinten.« Er begleitete sie in eine etwas ruhigere Ecke und versprach, ihr einen Drink zu besorgen. Von den Freunden und Bekannten wurde sie herzlich begrüßt.
Mag winkte sie zu sich, und alle rückten zusammen, damit sie sich setzen konnte. »Myrah war neulich im Pub und hat erzählt, dass erst du bei ihr warst und dann dein Freund. Sie konnte gar nicht aufhören, von ihm zu schwärmen. Hast du nicht mal ein Foto von ihm, um eine arme, alte Frau zu erfreuen?«
Sie grinste so unverschämt, dass Pauline ihr Handy aus der Tasche zog und ihr das Bild zeigte, dass auch schon Myrah so begeistert hatte … lange, bevor sie Constantin persönlich begegnet war.
»Wow!« Mag wusste für einen Augenblick nichts weiter zu sagen. »Und den willst du uns vorenthalten?«
»Constantin hat noch zu tun. Er kommt vielleicht später.«
Eine Frau, die Pauline nur vom Sehen kannte, kam hinzu und stellte sich vor. »Hi, ich bin Eva. Du bist Davids Freundin, oder?«
Nicht schon wieder!
»Hat er das erzählt?«, fragte Pauline schärfer als beabsichtigt.
»Entschuldige, wenn ihr grad Stress habt, will ich nichts gesagt haben.«
Pauline tippte auf ihren Ring. »Ich bin verheiratet. Aber selbst wenn ich es nicht wäre, verstehe ich wirklich nicht, warum alle Welt zu glauben scheint, ich hätte etwas mit David. Er ist überhaupt nicht mein Typ.«
»Bravo. Endlich mal eine Frau mit Geschmack und Prinzipien.« Mike reichte ihr ein Glas Wein und setzte sich auf die Sessellehne neben sie. »Neuerdings reißen sich die Mädels um unseren Starfotografen.«
»Er macht ja auch großartige Fotos«, sagte Pauline und bemühte sich um einen freundlichen Ton.
Sie versuchte, fair zu bleiben. David hatte es vielleicht falsch verstanden, dass sie nett zu ihm gewesen war, weil sie ihn als Freund betrachtete. Zumindest bis vor Kurzem.
»Vor allem aber macht er große Fotos«, antworte Mike mit einem abfälligen Unterton.
»Wie meinst du das?«
»Guck mal nach links.«
Pauline drehte sich in die angegebene Richtung und hätte beinahe vor Schreck ihr Glas fallen lassen. Das Studio befand sich in einer ehemaligen Lagerhalle und der linke Teil, zu dem sie gerade sah, war zwei Etagen hoch. Die
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