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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Rückwand bedeckte ein Bild, nein, eher eines dieser Plakate, die vor Baugerüsten gespannt wurden. Man konnte es getrost als formatfüllend bezeichnen. Und von dieser Leinwand lächelte niemand anders als sie selbst. Geschätzte acht mal zwölf Meter Pauline, schwarz-weiß. Auf dem Foto war sie barfuß und trug nur einen Bikini unter dem luftigen Sommerkleid, das sie sich vor der Schweden-Reise gekauft hatte. Lachend sah sich das Mädchen dort an der Wand über die Schulter. Mit einem Blick, der zu sagen schien: Fang mich doch!
    Sie wusste genau, wann es entstanden war. In der Woche war es so heiß gewesen, dass sie Constantin überredet hatte, mit ihr ans Meer zu fahren. Sie hatten am Nordseestrand geschlafen und sich in den Dünen geliebt. Der Gedanke, dass David sie dabei beobachtet haben könnte, löste einen schwer zu unterdrückenden Brechreiz aus.
    »Das Schwein!«, stieß sie hervor.
    Mike sah sie zuerst verständnislos an, doch dann zeichnete sich Begreifen auf seinem Gesicht ab. »Du wusstest nichts davon?«
    »Wo ist er?«
    Beruhigend legte ihr Mike die Hand auf den Arm, weil er sah, dass sie am ganzen Körper zitterte. »Soll ich mitkommen?«, fragte er.
    »Nein, das mache ich allein. Sag mir nur, wo ich ihn in diesem Gewühl finden kann.«
    »Er wird mit seinen Kumpels dort hinten irgendwo sein.« Vielsagend strich er sich mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang. »Wenn du weißt, was ich meine.«
    Wütend machte sie sich auf den Weg.
    Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er kein Interesse mehr an mir haben , schwor sie sich.
    Aber David war nirgendwo zu finden, und die Leute, die sie fragte, schickten sie mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung. Bei ihrer Suche scheuchte sie ein Paar auf, das sich in Davids Schlafzimmer vergnügte, und fiel beinahe über einen Betrunkenen, der an die Wand gelehnt am Boden saß und von all den Füßen faselte, die er heute zu zählen hatte. Hier im hinteren Teil des Ateliers war sie selten gewesen. Es gab kein Licht, und als sie sich umdrehte, um zurückzugehen, trat Pauline auf irgendetwas Weiches. Rasch hielt sie sich an einer Türklinke fest, um den Schuh wieder richtig anzuziehen, mit dem sie beinah umgeknickt wäre, da legte sich eine Hand um ihre Taille.
    »Du hast mich gesucht, Süße?« Er roch nach Alkohol und Rauch, eine Mischung, die sie überhaupt nicht leiden konnte.
    Vergeblich versuchte sie, sich aus seiner Umarmung zu drehen. »David, lass mich verdammt noch mal los!« Ärgerlich rammte sie ihm den Ellbogen in die Seite. Nicht zu fest, aber immerhin so kräftig, dass er seinen Griff lockerte.
    »Pauline, du hast mir so gefehlt.« Er versuchte sie zu küssen, die Tür hinter ihr schwang auf, und er hatte sie in den Raum geschoben, bevor sie begriff, was mit ihr geschah.
    Das Licht flammte auf. Jetzt sah sie, dass Davids Pupillen unnatürlich geweitet waren und trotz der Helligkeit auch so blieben. Sie wusste, dass es im Atelier eine Dunkelkammer gab, weil er gelegentlich mit Film statt digital arbeitete. Doch die war normalerweise abgeschlossen, und jetzt sah sie auch, warum. Es gab an allen vier Wänden nicht einen freien Quadratzentimeter, auf dem sich kein Foto von ihr befand.
    Während sie sich umsah, fassungslos und mit wachsendem Entsetzen, lehnte David an der geschlossenen Tür, offensichtlich unwillig, sie hinauszulassen.
    Sie sah große und kleine Bilder, schwarz-weiß oder in Farbe. Pauline in Fetischkleidung, beim Einkaufen, auf der Opernbühne und, sie musste sich Halt suchend an die Tischkante klammern, halb nackt in der Garderobe der Hamburger Staatsoper.
    »Das ist so krank«, sagte sie leise. Dann schrie sie nur noch. Beschimpfte ihn, schlug mit allem, was sie greifen konnte, auf ihn ein, und er lehnte einfach weiter an dieser verfluchten Tür und versperrte ihr den Weg.
    Sie hatte schon die Hand nach einer der großen Flaschen mit Chemikalien ausgestreckt, die man zum Entwickeln der Bilder benötigte, als die Tür mit einem Ruck aufgestoßen wurde.
    »Hey, was soll das?« Fluchend stolperte David tiefer in den Raum hinein, verlor das Gleichgewicht und knallte mit dem Kopf an den fest montierten Vergrößerer.
    »Constantin!«
    Pauline hatte ihn noch nie so wütend und dabei derart kontrolliert gesehen. Voller Angst wich sie in eine Ecke zurück und beobachtete, wie er die Tür hinter sich schloss, den Schlüssel umdrehte und David, der sich wieder aufrappelte, am Hemd packte, sodass die Knöpfe absprangen. Dann sah er die

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