Gib mir deine Seele
Künstler hatten ihr Leben im Dienst höherer Mächte gelassen? Für Götter, deren Gier so groß war, dass sie unweigerlich alles Schöne, von Menschen Geschaffene zerstörten.
Dachte Constantin an diese zahllosen bedauernswerten Existenzen, wurde ihm noch elender zumute. Sie litten unter Psychosen, ruinierten ihr Talent mit Drogen oder lebten von der Erinnerung an vergangenen Ruhm und verloren bei dem verzweifelten Versuch, daran anzuknüpfen, jede Scham und Selbstachtung.
Pauline, die von alldem nichts wissen konnte, hatte ein besseres Schicksal verdient. Ihre Hingabe schien grenzenlos, dabei hatte er sie auch als eine selbstbewusste Person kennengelernt, die nicht nur gemocht, sondern für ihren Intellekt und die Fähigkeit, einen eigenen Standpunkt zu vertreten, geschätzt wurde. Äußerst sensibel, durch ihre Herzenswärme dennoch innerlich erstarkt, liebte sie das Leben, ihre Musik und sogar ihn so leidenschaftlich, dass er sich immer häufiger fragte, womit er die Zuneigung dieser einzigartigen Frau, seiner Frau, verdient hatte.
Überwältigt von Verzweiflung fiel er auf die Knie. Wie er sich für den Verrat hasste, den er schon bald an ihr begehen musste! Artemis , bat er, mach mit mir, was du willst. Aber beschütze Pauline.
Natürlich erhielt er keine Antwort. Götter interessierten sich nicht für die Seelenqualen ihrer Untertanen.
In dem verzweifelten Wunsch, den Teufelskreis, in dem er sich bewegte, mit schierer Gewalt aufzubrechen, tat er in dieser Nacht etwas Unglaubliches: Constantin zerstörte eigenhändig ein Gemälde von unfassbarer Bedeutung.
Die Hände vors Gesicht geschlagen, sank er nach dem Gemetzel auf den Boden, zusammengekrümmt in grenzenloser Agonie, zitternd vor Seelenpein, die tiefer schnitt, als das Messer in seiner Hand es je gekonnte hätte.
37 Languedoc – Die Magie der Bilder
Das Herz machte Pauline seit ihrer Ankunft in Mas La Roseraie keine Probleme mehr, aber etwas anderes bereitete ihr Sorgen: Constantin war ein aufmerksamer Liebhaber und Begleiter. Doch wenn er sich unbeobachtet fühlte, wirkte er melancholisch und manchmal geradezu mutlos. In solchen Stimmungen liebte und züchtigte er sie oft mit einer Heftigkeit, die Pauline bis an ihre Grenzen trieb. Es war nicht der Schmerz, den sie fürchtete, es war die Wut, die sie in ihm spürte, gepaart mit Verzweiflung, die nach diesen Ausbrüchen in eine tiefe Hoffnungslosigkeit zu münden schienen.
Sie versuchte immer wieder, mit ihm darüber zu sprechen. Doch er verschloss sich all ihren Angeboten, bis sie sich nicht mehr zu helfen wusste und Nicholas anrief.
Nach kurzem Geplauder kam sie ziemlich rasch zum Grund ihres Anrufs. »Constantin geht es nicht gut.«
»Aha? Wie kommst du darauf?«
Sie erzählte ihm von ihren Beobachtungen. »Natürlich sagt er, ich bildete mir das alles nur ein. Aber das stimmt nicht. Ich kann seinen Schmerz fühlen. Und das nicht nur, weil er mich halb tot prügelt.« Der letzte Satz war ihr herausgerutscht, und sie hätte ihn gern zurückgenommen, denn es war maßlos übertrieben.
»Was tut er?«, fragte Nicholas aufgebracht.
»So habe ich das nicht gemeint. Die Kontrolle verliert er nie. Es ist nur … emotionaler als früher.«
»Ich komme«, sagte Nicholas und legte auf.
Noch am selben Abend standen sich die beiden Freunde gegenüber. Die Luft zwischen ihnen war mit einer bedrohlichen Energie aufgeladen, sodass Pauline beinahe glaubte, es knistern zu hören. Zwei dominante Männer in dieser Laune, das war kein Spaß. Sie floh in die Küche und wartete dort auf Entwarnung.
Zoé schien zu ahnen, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie stellte keine Fragen, sondern zeigte mit ihrem großen Messer auf einen gefüllten Gemüsekorb, der aussah, als enthielte er die Ernte eines ganzen Tages. »Schälen, entkernen, würfeln. Monsieur liebt meine Suppe, und wir werden ihm einen schönen, großen Topf davon kochen.«
»Das reicht für eine ausgehungerte Hundertschaft«, sagte Pauline irritiert.
»Manche Männer sind eben unersättlich.« Zoé zwinkerte ihr fröhlich zu, und sie antwortete der verständnisvollen Köchin mit einem dankbaren Lächeln. Dann machten sie sich gemeinsam ans Werk.
Pauline wischte gerade ihr Messer ab und sah dabei stolz auf die Schüsseln mit Zucchini, Paprika und Tomaten, die allein sie in der letzten Stunde in nahezu gleich große, oder besser gesagt, gleich kleine Würfel verwandelt hatte, da kam Constantin herein.
Er sah zerrauft aus, verbeugte sich aber
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