Gib mir deine Seele
du mutig genug, in diesem Outfit weiterzufeiern?«
»Natürlich bin ich das«, sagte Pauline mit mehr Überzeugung, als sie verspürte. »Ich bin ja ohnehin der gefallene Engel … und mir hängt nicht der halbe Hintern aus dem Kostüm wie dem himmlischen Engelchen.«
»Ich schätze deinen Blick fürs Wesentliche.« Unauffällig sah Henry auf die Uhr.
»Wartest du auf Nicholas?«
»Nein, ja. Auch.«
»Bitte?«
»Ich glaube, es ist Zeit, die Mitternachtssuppe aufzuwärmen. Willst du schon vorgehen? Ich muss noch mal für kleine Mädchen.«
»Klar!«
Gemeinsam verließen sie das Büro.
Pauline öffnete die Schwingtür zur verlassenen Küche und sah sich suchend um. Einen Lichtschalter konnte sie nicht finden, aber die Notbeleuchtung war ausreichend, um sich orientieren zu können. Hinter einem langen Tisch aus Stahl befand sich die eigentliche Küche. In der Mitte prangte ein metallisch glänzender Block mit Herdfläche und Öfen, darüber sauber gestapeltes Kochgeschirr – Leo hatte offensichtlich im letzten Jahr einiges investiert. Der geliehene Topf mit Janice’ Mitternachtssuppe auf dem Herd war nicht zu übersehen. Er war groß genug, um ein Kind darin zu baden. Pauline trat hinzu und schaltete die Platte an. Nach einer Weile öffnete sich die Tür, doch statt Henry kam David herein.
»Es tut mir leid.«
Er wirkte so zerknirscht, dass Pauline ihm sofort glaubte. »Schon gut. Wer nicht geküsst werden will, sollte nicht unter Mistelzweigen herumstehen.«
Seite an Seite beobachteten sie, wie der Eisblock langsam schmolz und die Suppe rundherum Blasen schlug.
»Wir brauchen einen großen Löffel zum Umrühren«, sagte Pauline, und David machte sich folgsam auf die Suche nach brauchbarem Werkzeug. Schließlich kam er mit einer Kelle zurück, und gemeinsam rührten sie die immer besser duftende Suppe, bis sich auch der letzte Eisklotz aufgelöst hatte.
»Muss man das nicht abschmecken?«, fragte David.
»Keine Ahnung. Ja, stimmt, Janice hat gesagt, wir sollen es heiß machen und sicherheitshalber noch mal probieren.«
»Sag ich doch.« Er sah sich um. »Guck, da ist Brot. Und dort drüben gibt es Teller.« Mit dem Gesuchten in der Hand kam er schnell zurück. »Sie ist eifersüchtig auf dich.«
Offenbar sprach er von seiner Freundin Nina, die immer noch nicht zurückgekehrt war. »Warum das denn?«
»Weißt du das wirklich nicht?« David rückte näher.
Aber dieses Mal war sie vorbereitet. »Lass das. Du bist ein guter Freund, aber ich habe kein Interesse an einer Affäre. Ihr werdet euch schon wieder zusammenraufen«, sagte sie mit Nachdruck. »Wie jedes Mal.«
Plötzlich traf sie etwas Heißes am Hals. »Verdammt! Das Zeug kocht ja schon wie verrückt.« Rasch zog sie den Topf beiseite. Dabei schwappte Suppe über den Rand und landete auf ihrer Hand. »Au!«
Geistesgegenwärtig zog David sie zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. »Das kann zu gemeinen Verbrennungen führen«, erklärte er. »Warte mal, du hast da auch was …« Mit diesen Worten riss er ein Handtuch vom Haken und hielt es unter das laufende Wasser. Dann beugte er sich über sie und versuchte, ihr die Mitternachtssuppe aus dem Dekolleté zu wischen.
Erschrocken wich Pauline vor dem kalten Wasser zurück, knickte dabei auf den hohen Schuhen um, und David konnte ihren Sturz nur verhindern, indem er die Arme um sie schlang und sie an sich zog.
In diesem Augenblick schwang die Tür auf, und Constantin betrat die Küche.
Es hatte ihn eine Menge Selbstdisziplin gekostet, Pauline nicht anzurufen. Als Nicholas von der Weihnachtsfeier berichtete, zu der Henry ihn eingeladen hatte, wusste er, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, nicht nur mehr über sie zu erfahren, sondern in ungezwungener Atmosphäre ihr Vertrauen zu gewinnen.
Als sie das White Lion betraten, war offenbar gerade so etwas wie eine Show-Einlage zu Ehren des Gastgebers zu Ende gegangen, und während er sich nach Pauline umsah, hörte er, wie zwei angetrunkene Kerle ihre körperlichen Vorzüge diskutierten. »Hast du diesen prachtvollen Hintern gesehen?«, fragte einer von ihnen und leerte sein Bierglas.
»Du meinst die Schwarzhaarige? Allerdings. Die würde ich gern mal a tergo vögeln.«
Dieser Kommentar ließ Constantins Laune schlagartig in den Keller rutschen, und als Henry auftauchte, war er kurz davor, aus ihr herauszuschütteln, wo sich ihre Freundin aufhielt.
Mit verliebten Kuhaugen starrte sie seinen Assistenten an, der auch ein wenig neben sich
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