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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Flügel keine Unschuld mehr vor.
    Henry hatte Pauline als ihren Gegenpart inszeniert: Sie trug das teuflische Schwarz eines gefallenen Engels, und hätte Pauline nicht darauf bestanden, zumindest eine Art Ballettröckchen anzuziehen, würde auch ihr halb entblößtes Hinterteil in wenigen Minuten den einen oder anderen Blick auf sich ziehen. Vorerst blieben die Kostüme jedoch unter weiten Capes verborgen, die Henry extra so präpariert hatte, dass die Flügel nicht bedeckt waren und – noch wichtiger – sich mit einem geschickten Handgriff ablegen ließen.
    Es klopfte, und Mag kam herein. »Wow! Leo wird einen Herzinfarkt bekommen, wenn er euch sieht.«
    Pauline spürte, wie alles Blut aus ihrem Kopf wich. »Das will ich auf keinen Fall!«
    »Ach, Herzchen, das ist doch nur so eine Redensart. Ihr seht toll aus.« Mag reichte ihnen ein gut gefülltes Glas, und weil sie vor allem Paulines Einwände kannte, sagte sie: »Bevor ihr das nicht ausgetrunken habt, lasse ich euch nicht auf die Meute dort draußen los!«
    Folgsam leerten sie ihre Gläser, und Pauline spürte sofort, wie sich eine eigentümliche Wärme in ihrem Bauch ausbreitete. Wenig später folgte sie Mag und Henry beschwingt zurück ins Pub. Als sie sich unter johlendem Applaus der Partygäste zu ihrer Begleitband auf die winzige Bühne gestellt hatten, zwinkerte ihr der Sänger aufmunternd zu. Sie sah Henry an, und los ging es mit dem Weihnachtslied »Santa Baby«.
    Ich muss sie doch noch mal fragen, was das für eine Tanztruppe ist, der sie sich angeschlossen hat , dachte Pauline, während sie die Kordel löste und zur zweiten Strophe das Cape hinabgleiten ließ. Es fiel ihr nicht leicht, diesem Lied das gleiche erotisch verspielte Timbre zu geben, das ihre Freundin scheinbar so locker sang.
    Henry machte die Jungs mit ihrem sinnlichen Hüftschwung ganz verrückt. Am Ende fiel Leo in vorgetäuschter Ergebenheit vor ihnen auf die Knie und flehte: »Habt Erbarmen! Wenn ihr so weitermacht, brennt hier noch die Hütte.«
    Unter dem Gelächter des Publikums nahmen sie Leo in ihre Mitte und sangen »Frosty The Snowman«.
    Zum Schluss wurde es besinnlicher, und nachdem Pauline am Ende ihre Version von Loreena McKennitts Interpretation des Weihnachtslieds »The Holly & The Ivy« zum dritten Mal vorgetragen hatte, flüchtete sie von all den Küsschen und Umarmungen erhitzt in den Durchgang, der zu den hinteren Räumen des Pubs führte. Dort blieb sie stehen, lehnte den Kopf an die kühle Wand und rang nach Atem. Ihr Herz machte seltsame Sprünge.
    Hände legten sich auf ihre Schultern. Constantin? War er gekommen, um sie zu sehen? Erleichtert lehnte sie sich zurück. Die Wärme des männlichen Körpers gab ihr Sicherheit. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Bereitwillig ließ sie sich von ihrem Retter umdrehen. Es war dunkel, und sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, als es sich ihrem näherte. Gegen einen Kuss hatte sie nichts einzuwenden. Im Gegenteil.
    »Nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
    »David!« Unfähig, sich zu bewegen, ließ sie es geschehen, dass er seine Lippen auf ihren Mund presste, und fühlte … nichts.
    »Na, mein Freund!« Eine tiefe Stimme erlöste sie aus ihrer Starre. »Gute Sache, diese Mistelzweige, oder?«
    Pauline nutzte die Gelegenheit, um sich aus der Umarmung zu drehen.
    Der irische Musiker zwinkerte ihr zu. »Großartige Performance. Wenn das mit der Oper nicht mehr klappen sollte, melde dich bei mir.« Damit legte er David den Arm um die Schulter und zog ihn mit sich. »Sag mal, machst du eigentlich auch Bandfotos …«
    Plötzlich stand auch Henry neben ihr. Sie musste die ganze Szene beobachtet haben, denn sie schob Pauline in Leos Büro und brachte ihr etwas zu essen und eine Flasche Wasser. Behutsam nahm sie ihr die schweren Engelsflügel ab. »Iss erst mal. Du bist ja total blass. Was war denn los?«
    »David hat mich geküsst.«
    »Na, das ist doch kein Grund, auszusehen wie ein Gespenst. Wir sitzen hier übrigens direkt unter einem Mistelzweig. Theoretisch könnte ich dich jetzt auch küssen.«
    Unwillkürlich musste Pauline lächeln. »Untersteh dich!«
    Nachdem sie ein paar Bissen gegessen hatte, ging es ihr besser, und sie fügte hinzu: »Ich glaube, er ist betrunken. Nina ist nicht zurückgekommen, oder?«
    »David hat den Zuschlag für eine Fotostrecke im i-D Magazine bekommen. Der hat allen Grund, Party zu machen, ob mit oder ohne Freundin.« Henry half ihr auf. »Willst du dich umziehen, oder bist

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