Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
Vom Netzwerk:
das Glas zurück und stand langsam auf. »Hier ist es nur so stickig. Weißt du, wo die …«, sie machte eine vage Handbewegung, »die Toiletten sind?«
    Prüfend sah er sie an, ganz so, als glaubte er ihr nicht. »Den Gang entlang, dann rechts.«
    »Bin gleich wieder da.« Die Handtasche fest umklammert, bemühte sie sich um einen lässigen Abgang.
    In der Damentoilette angekommen, lehnte sich Pauline erst einmal gegen die kalten Fliesen und schob sich die Maske ins Haar. Danach nahm sie ihre Tablette. Viel zu spät.
    Während sie sich an der Kante des Waschtischs festhielt, versuchte sie, gleichmäßig zu atmen. Allmählich ging es ihr besser. Sie wollte gerade zu Constantin zurückkehren, als die Tür aufschwang und Valentina Eldarowna hereintrat. Pauline taumelte zurück.
    »Hoppla«, sagte die Frau mit schwerem Akzent. »Geht dir nicht gut?«
    »Alles in Ordnung«, stammelte Pauline und fügte hastig hinzu: »Ihre Vorstellung war fantastisch.«
    »Das erzählt jeder.« Die Sopranistin musterte sie. »Aber kannst du sagen, was hat gefallen?«
    »Alles«, antwortete sie und hob die Hand, als die Eldarowna sich abwenden wollte. »Nein, warten Sie! Ich mag es, wie Ihre Stimme in den letzten Jahren wärmer, reifer geworden ist. Ihre schauspielerische Leistung ist berührend – also, in der Oper, meine ich. Bei alldem erreichen Sie die Höhen deutlich unangestrengter als je zuvor, und ich würde meine Seele geben, um selbst einmal so gut zu werden wie Sie.«
    Die Frau sah sie durchdringend an. »Du singst«, stellte sie fest.
    »Ja«, sagte Pauline. »Es ist mein Traum.«
    »Dann will ich dir einen Rat geben: Erstens, such dir jemanden, der dich liebt und unbestechlicher Kritiker ist. Zweitens, höre auf dein Innenstimme. Drittens, lass dich nicht ausschöpfen. Und viertens … finde dir guten Gesangslehrer. Mit wem arbeitest du?«
    »Elena Corliss.«
    »Nicht wahr!« Die Sängerin starrte sie einen Augenblick verblüfft an. Dann lachte sie. »Du bist das? Willkommen im Club, Pauline!« Offenbar sah sie die Ratlosigkeit in ihrem Gesicht und flüsterte: »Hast du Karte für Visite?«
    »Nein, leider …«
    »Macht nichts, ich finde dich sowieso. Hier ist meine. Wenn du brauchst Unterstützung, ruf mich an.«
    Die Diva wusch sich die Hände, dann war Pauline wieder allein.
    Was für ein Abend! Sie ließ sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, setzte die Maske wieder auf und ging endlich hinaus.
    Er stand im Gang, an die Wand gelehnt, mit verschränkten Armen, die Beine gekreuzt. Ein Bild skeptischen Abwartens. Dabei betrachtete er sie schweigend, wie sie ihm so aufrecht wie möglich entgegenging.
    Ihr Herz machte immer noch seltsame Sprünge – aber jetzt trug er die Schuld daran.
    »Wir fahren nach Hause.«
    »Mir geht es wieder gut. Es war wirklich nur die schlechte Luft. Kein Grund, so grimmig zu gucken«, fügte sie mit einem beschwichtigenden Lächeln hinzu.
    Es machte ihr Angst, wenn Constantin in diesem herrischen Ton mit ihr sprach. Tom, mit dem sie während ihres Festengagements zusammen gewesen war, hatte sich besonders gegen Ende der Beziehung immer öfter unmöglich benommen und sie aus den nichtigsten Gründen angeschrien. Einmal hatte er in seinem Jähzorn sogar die Hand gegen sie erhoben, und obwohl er sie nicht geschlagen hatte, war sie noch in derselben Nacht ausgezogen.
    Constantin schien ihre Furcht zu spüren, denn jetzt sagte er sanfter: »Ich habe mir Sorgen gemacht. Möchtest du lieber hierbleiben?«
    »Nein.« Das wollte sie keineswegs. Sie wollte nur gefragt werden. Der Tanz, die einzigartige Begegnung mit Valentina Eldarowna – all dies machte es leicht, die maskierten Frauen und das etwas seltsame Fest zu ignorieren. Auch der Anfall war nicht dramatisch gewesen. In Zukunft musste sie nur einfach besser auf sich Acht geben. Dennoch fühlte sich Pauline erschöpft und wünschte sich, den Jahreswechsel mit Constantin allein zu verbringen.
    Und hatte er nicht genau das gesagt? Dass sie sich wünschen würde, noch vor Mitternacht zu Hause zu sein? Womöglich ging es ihm ebenso.
    Draußen war es sehr kalt geworden. Umso angenehmer war nach der halbstündigen Fahrt die schmeichelnde Wärme in seiner Wohnung. Constantin nahm ihr das Cape ab und löste die Schleife an seinem Hals, als hätte er sich das schon länger gewünscht. »Möchtest du etwas trinken?«
    »Wenn du vielleicht Tomatensaft hättest?«, fragte Pauline hoffnungsvoll. Ihr war noch flau im Magen, und Tomatensaft wirkte in

Weitere Kostenlose Bücher