Gib mir deine Seele
nicht?«
»Weil ich es so will.« Alle Wärme war plötzlich aus seiner Stimme verschwunden. Doch dann fügte er nach einem Moment drückenden Schweigens zwischen ihnen hinzu: »Es ist Teil der Einladung.«
»Na gut, wenn es so ist …«
Pauline reichte ihm die Maske und drehte sich leicht von ihm weg, damit er sie ihr anlegen konnte, was wegen ihrer hochgesteckten Frisur ein wenig länger dauerte. Sie schloss die Augen und ließ den Druck seiner langen Finger sowie das glatte Material der Maske auf sich wirken. Und so war der zarte Kuss, den er ihr auf den Nacken hauchte, eine Überraschung.
Pauline seufzte. »Ich wüsste zu gern, was das für eine Veranstaltung ist, auf die du mich schleppst.«
»Warte es ab«, war alles, was er antwortete.
Obwohl die federleichte Maske ihr Blickfeld kaum einschränkte, hatte sie keine Lust mehr, aus dem Fenster zu sehen, und so schloss sie die Augen und lehnte sich in das weiche Leder der Limousine zurück. Dieses Mal gab es keine Musik, um ihre Nerven zu beruhigen.
Endlich hielt der Wagen, und Constantin stieg aus. Pauline blieb sitzen, um darauf zu warten, dass er ihr die Tür öffnete. Wenn dies ein Test sein sollte, um herauszufinden, ob er sich zukünftig mit dem kleinen Mädchen vom Lande in der Öffentlichkeit sehen lassen konnte, dann würde er sich wundern. Sie hatte eine gute Schule besucht und dort alles gelernt, was man für den Gang über das gesellschaftliche Parkett benötigte. Notfalls konnte sie sogar darauf tanzen.
Und so betrat sie schließlich, nachdem er ihr galant aus dem Wagen geholfen hatte, an seinem Arm die hell erleuchtete, moderne Villa. Das Stimmengewirr zeigte ihnen, dass sich die Gäste bereits prächtig amüsierten. Dennoch eilte ihnen der Gastgeber, kaum dass sie Umhang und Mantel abgegeben hatten, mit ausgestreckten Armen entgegen und sagte im besten britischen Akzent: »Mein Lieber, ich bin so froh, dass du es einrichten konntest.«
» Ambassador . Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« Constantin wandte sich an Pauline. »Darf ich dir seine Exzellenz, Lord Baldwin, den Botschafter Ihrer Majestät, der Königin, in Germany vorstellen?«
Pauline reicht ihm die Hand, deutete einen Knicks an und murmelte: »I’m pleased to meet you, Sir.«
Etwas überrascht nahm sie zur Kenntnis, dass Constantin sie nicht vorstellte, und noch merkwürdiger war, dass der Botschafter dies auch nicht zu erwarten schien. Er musterte sie wohlwollend. Es schien nicht viel zu fehlen und er hätte Constantin anerkennend auf die Schulter geklopft.
»Sind sie da?«, fragte Constantin, der das Gleiche gedacht haben musste, merklich distanzierter.
»Ja! Ist es nicht fantastisch? Ich bin dir einen Gefallen schuldig, alter Freund.«
»Ich werde dich beim Wort nehmen, Alexander.« Das angedeutete Lächeln milderte den Ernst, der sich kurz in seine Stimme geschlichen hatte. »Irgendjemand, vor dem man sich in Acht nehmen sollte?«
Der Botschafter lachte dröhnend. »Bei den maskierten Damen würde ich vorsichtig sein.«
Kurz darauf verabschiedete er sich. Allerdings nicht, ohne sein Buffet angepriesen zu haben und ihnen mitzuteilen, zwei Plätze seien für sie reserviert. »Selbstverständlich in der ersten Reihe, wie du es gewünscht hast.«
Mit seinen rohen Betonwänden hätte das Haus unfertig und kalt wirken können. Doch die geschickte Beleuchtung und die großflächigen Gemälde, aber ganz besonders der wertvolle Holzboden, der die dominanten Steinstrukturen mit einer natürlichen Note ebenso unterbrach, wie er sie betonte, hauchten der Villa Leben ein. Dennoch hätte Pauline hier nicht wohnen wollen.
Als sie durch die Räume flanierten, folgten ihnen viele maskierte und unmaskierte Augenpaare. Pauline wusste, wäre sie in ihrem eigenen Kleid aufgetaucht, hätte sie aus einem ganz anderen Grund alle Blicke auf sich gezogen … und sich gewünscht, der dunkle Holzboden möge sich auftun, um sie zu verschlingen. So aber fühlte sie sich in Constantins Begleitung begehrenswert, zerbrechlich und gleichzeitig auf wohlbehütete Weise einzigartig.
Daran war auch die Maske nicht unbeteiligt. Anders als die Gummidinger, die sie beim Fotoshooting mit David hatte tragen müssen, bot dieses federleichte Accessoire unerwartet Schutz und erlaubte ihr zudem, die Welt um sie herum ungestört, fast wie durch einen Schleier zu beobachten.
Es stellte sich heraus, dass nahezu jede anwesende Frau die obere Hälfte des Gesichts verbarg – sogar die Kellnerin, die ihnen ein
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