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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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habe bloß zu wenig getrunken, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Glücklicherweise war es nur eine kurze Unpässlichkeit, und als Henry mit belegten Brötchen zurückkehrte, hatte sie tatsächlich Appetit.
    Mit einem zufriedenen Seufzer zog Pauline schließlich ihre Schuhe aus und legte die Füße hoch. »War es in Ordnung?«
    »Machst du Witze? Das war große Weltspitzenklasse!«
    »Ich war wie in Trance. Ich könnte nicht einmal sagen, ob ich überhaupt gesungen habe. Das war richtig unheimlich.«
    »Ach was. So muss das sein. Julian war übrigens auch Spitzenklasse. Man hat ihn kaum gehört, er hat dir praktisch nur die Einsätze gegeben.«
    Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Henry war wirklich eine Begleiterin, wie man sie sich einfühlsamer nicht wünschen konnte. Trotzdem fehlte ihr Constantin in dieser Situation. Doch das war ja ihre eigene Schuld. Wenn sie ihn darum gebeten hätte, wäre er vielleicht sogar nach München gekommen.
    »Meine Damen und Herren, die Bekanntgabe der Ergebnisse findet in einer Viertelstunde statt«, kratzte die Stimme der Inspizientin aus den kleinen Lautsprechern.
    Dann war es so weit. Alle Teilnehmer wurden auf die Bühne gebeten. Der Juryvorsitzende dankte ihnen umständlich für ihr Engagement und die großartigen Beiträge, bis er die langsam wachsende Unruhe unter den Künstlern bemerkte.
    »Also gut«, sagte er. »Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen.«
    »Endlich«, zischte Janice, die direkt neben Pauline stand und während der letzten Minuten immer nervöser geworden war. Sie griff nach der Hand ihrer Freundin. »Gleich werden wir es wissen.«
    Nun fühlte auch Pauline die Furcht in sich aufsteigen. Und wenn es nicht gereicht hat? Wenn die anderen besser gesungen hatten, was sollte sie dann mit all den schönen Kleidern anfangen, die extra für sie angefertigt worden waren?
    Weitermachen! , befahl eine strenge Stimme in ihr, und sie klang verdächtig nach Elena Corliss.
    »Ich lese jetzt zwölf Namen vor«, unterbrach der Juryvorsitzende ihre Überlegungen. »Die Aufgerufenen kommen bitte zu mir und stellen sich nebeneinander auf.«
    Wie viele überhaupt am Wettbewerb teilnahmen, wusste Pauline nicht mehr. In der ersten Versammlung war die Zahl genannt worden, doch wichtig war nur, dass bei der Abschlussgala zwölf Sänger auftreten würden. Morgen wollte man die Reihenfolge der Platzierungen festlegen. Als ein Teilnehmer nach dem anderen über die Bühne ging, stolz, mit einem Lächeln auf den Lippen, sank allmählich ihre Zuversicht.
    Nun fehlte nur noch ein Name. Janice und sie sahen sich an. Wird es eine von uns werden?
    »Janice Brooks.«
    Sie umarmten sich hastig. Janice bemühte sich um einen mitleidigen Gesichtsausdruck, doch in ihren Augen glitzerte Triumph. »Beim nächsten Mal«, flüsterte sie und lief dann mit gekünstelter Munterkeit über die Bühne.
    Sie beide wussten, dass es für diesen Wettbewerb kein nächstes Mal geben würde. Wer hier einmal durchgefallen war, durfte nicht wieder antreten.
    Den Gewinnern wurden Blumensträuße überreicht, dann ergriff der Juryvorsitzende erneut das Wort.
    »Diese zwölf Künstlerinnen und Künstler haben ihr Bestes gegeben. Sie wissen, dass wir nicht nur Ihre heutige Performance beurteilen, sondern auch Ihre bisherige Laufbahn genau analysiert haben. Sonst wären Sie heute nicht hier. Ich bin sicher, dass Sie alle eine großartige Karriere vor sich haben. Für die Endrunde im Internationalen Wettbewerb der Jungen Stimmen hat es aber nicht gereicht, und wir müssen uns leider von Ihnen verabschieden. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Heimreise.«
    Damit hatte niemand gerechnet. Die zwölf am allerwenigsten. Fassungslos verließen sie die Bühne, und nicht wenige warfen feindselige Blicke auf die verbliebenen Teilnehmer.
    » Fuck! Ist das hier eine fucking Castingshow, or what ? « Etwas klirrte hinter den Kulissen, und Pauline wünschte, die Bühne würde sich auftun, um sie zu verschlingen. Das war unverkennbar die Stimme von Janice gewesen, und ein Blick in die Gesichter der Jury ließ ahnen, dass zumindest einer der hochkarätigen Musikfachleute dies ebenfalls wusste: Javier García Fernández hatte im Januar eine Nacht mit ihrer Freundin verbracht, von der sie sich eindeutig mehr versprochen hatte als eine hartnäckige Pilzinfektion.
    »Stil«, sagte der Vorsitzende, »hat man … oder man hat ihn nicht.«
    Javier grinste und sah Pauline direkt an. Wahrscheinlich war sie die

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