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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Dokument in der Hand. Aber ein Schlußwort billige ich Ihnen zu.«
    Ich will die Gelegenheit nützen und etwas Gescheites sagen, das ein würdiger Abschluß für das letzte Kapitel meines Lebens wäre. Aber wie meist bei solchen Anlässen, fällt mir nichts ein.
    Ich bin ein Bestsellerautor, der sich mit den größten Hoffnungen für die Zukunft in den kalten Sarg gelegt hat. Aber wie es aussieht, werde ich da nicht mehr ’rauskommen. Dabei ist eigentlich alles glatt gegangen. Es hat keine Pannen und keine Probleme gegeben. Ich glaube Dr. Pretorius nicht einmal, daß mein Körper irreversibel tot ist. Eher neige ich zu der Ansicht, daß er mir mit dieser Lüge alles nur leichter machen will. Aber das erreicht er damit keineswegs – hören Sie Dr. Pretorius? Es tröstet mich überhaupt nicht, daß mein Opfer den Homo sapiens retten könnte. Ich pfeife drauf, schere mich einen Dreck darum, was nach mir kommt. Ich sterbe einfach nicht gern, wofür auch immer, das ist es.
    Ich habe eine gute Chance gehabt. Doch die wurde von einem anders disponierenden Schicksal zunichte gemacht.
    Das war mein Epitaph. Ich bin fertig und warte darauf, daß …
     
    Dr. Pretorius schaltete ab. Der Schreiber des EEG blieb zitternd stehen. Was für ein starrsinniger, hartnäckiger Geist! Er hätte schon längst mit der Vivisektion des Gehirns beginnen können, wenn er sich nicht auf dieses Palaver eingelassen hätte. Aber er war eben sentimental und sah es als seine menschliche Pflicht an, den Spender über seine Verwendung zu unterrichten.
    Dieser Schreiberling war schon ein kalter Hund. Kaum Emotionen. Vermutlich wäre er nicht so gelassen gewesen, hätte er gewußt, daß er noch lange weiterleben würde und sein Alptraum noch längst nicht vorbei war.
    Hoffentlich – hoffentlich war Daniel Hummers Leiden wenigstens nicht umsonst.
    »Poido!« rief Dr. Pretorius seinen Assistenten. »Nix mea Jux. Jetzabeitn.«
    Und der dressierte Mailänder kam angewinselt und transportierte das immer noch ans Lebenserhaltungssystem angeschlossene Gehirn in den Operationssaal.
     
    Sie will kein Ende, die Hetzjagd durch meinen Kosmos, in dem die Schicksale manchmal bloß kurz aufblitzen und dann wieder anhaltend wetterleuchten. Und überall ist alles grau in grau. So düster kann die Zukunft nicht sein …
     

 
WO LASSEN DENKEN?
     
    Auf diese Gewissensfrage pflegte ich zu antworten: »Dort, wo man etwas davon versteht.« Das führte meist zu einem taktischen Hin und Her, wobei einer den anderen auszutricksen versuchte, um herauszufinden, welcher Partei er angehörte.
    Stellte es sich heraus, daß man beim selben Verein war, dann tauschte man einfach die Käppi-Nummer aus, die mit dem Id-Kode übereinstimmte, man versicherte sich gegenseitig, daß man sich zum persönlichen Gedankenaustausch melden würde – und ging jeder seiner Wege. Nur in den seltensten Fällen hörte man wieder voneinander, wie es eben mit solchen Zufallsbekanntschaften einmal so ist.
    Im anderen Fall, wenn der andere nicht denselben Denkservice benutzte, dann konnte es mitunter brenzlig werden, je nachdem, ob man bei einer neutralen Gesellschaft war, bei der gemäßigten Opposition, oder ob man eine der gegnerischen Denkströmungen vertrat. Wenn sich die Lage zuspitzte, schaltete sich ohnehin zumeist die Zentrale ein. Bevor es zu Tätlichkeiten kommen konnte. Aber manchmal wurden Auseinandersetzungen auch gefördert. Das lag im Ermessen derer, die einen betreuten. Sie mußten soviel Einfühlungsvermögen besitzen, um zu erkennen, ob man ein Ventil für angestaute Aggressionen wirklich brauchte, oder ob man nur aus Langeweile eine Keilerei suchte.
    Bei einem guten Service dürfte Langeweile erst gar nicht aufkommen.
    Ich gehörte zur CCCP, deren Cyril Corby Computer Partei. Es gab Hunderter solcher Denkanstalten, und die meisten waren kleinere und regionale Vereine, die keine eigene politische Richtung vertraten, sondern nur Mitläufer waren. Die wirklich großen, weltumspannenden Denkanstalten mit eigener Ideologie konnte man an den Fingern beider Hände abzählen.
    CCCP war eine der größten. Aber nicht deshalb hatte ich mich dort anschließen lassen, sondern weil Cyril Corby genau meine Richtung vertrat. In jungen Jahren, als Heißsporn und Wirrkopf, der ich nicht recht wußte, wo es langging, da hatte ich den Service öfter gewechselt als das Käppi. Ich hatte es mir zu einem regelrechten Sport gemacht, jeden Tag woanders denken zu lassen. Aber das war nur eine pubertäre

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