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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Modeströmung gewesen, die vielleicht für meine Entwicklung sogar notwendig war.
    Reifer geworden – und um etliche Erfahrungen reicher –, entschloß ich mich für CCCP. Mir gefiel das Programm. Cyril Corby arbeitete nämlich darauf hin, die Menschen eines Tages wieder selbständig denken zu lassen. Das war im Moment natürlich noch Zukunftsmusik. Aber meine Kinder, falls ich mal welche hätte, würden es erleben. Und darum ließ ich bei CCCP denken.
    Ein Glockenschlag in meinem Kopf verkündete das Ende der morgendlichen Denkpause. Ich war erleichtert, denn nun brauchte ich nicht mehr zu grübeln und wurde all meiner Gedankenlast enthoben: Molly-Maid würde wieder Ordnung in das Chaos meiner Gedanken bringen. Ihre sanfte und einfühlsame Stimme meldete sich auch sogleich.
    »Servus, Bert«, begrüßte sie mich. »Ich hoffe, die Denkpause hat dich nicht zu sehr angestrengt. Deine Gehirnströme verraten, daß du recht aktiv warst. Was sind das für Probleme, die dir diesmal durch den Kopf gegangen sind?«
    »Gedanken sind frei«, erwiderte ich schnippisch.
    Molly-Maid gab einen Schmollaut von sich, sie war überaus sensibel und furchtbar leicht zu kränken. Mir tat meine Kaltschnäuzigkeit natürlich sofort wieder leid, weil es mir einfach gegen den Strich ging, meine Maid zu kränken.
    »Tut mir leid, Molly, es war nicht so gemeint«, entschuldigte ich mich. »Ich habe nichts zu verbergen, und wenn du willst, lege ich Rechenschaft über meine Gedanken ab.«
    »Schon gut, Bert.« Mollys Stimme klang wieder versöhnlich. »Die Schuld liegt bei mir, ich darf nicht so mimosenhaft sein. Schließlich bin ich ›dazu da‹, deine Launen zu kompensieren. Du sollst glücklich sein, nur das zählt.«
    »Und wie steht es mit dir?« fragte ich zurück.
    Ich hörte über das Käppi ihr Seufzen in meinem Kopf.
    »Du willst doch nicht um diese Zeit mit mir darüber diskutieren, Bert!« ermahnte sie mich mit leisem Tadel. »Heb dir das Thema für die Philosphiestunde auf. Im übrigen bin ich glücklich, wenn ich dich glücklich machen kann. Ich selbst habe keinen Seelenmasseur notwendig. Können wir nun gemeinsam den Tag beginnen?«
    »Einen Moment noch«, sagte ich rasch, bevor sie meine Gedanken in die vorprogrammierten Bahnen lenken konnte. »Ich muß erst noch diese eine Gedankenkette beenden. Würdest du dich deshalb noch für einen Moment zurückziehen?«
    »Aber viel Zeit kann ich dir nicht geben, sonst …«
    »… sonst wird der Tagesablauf durcheinandergebracht, ich weiß«, vollendete ich den Satz.
    Molly ließ mich merken, daß sie mit meinem Verhalten nicht ganz einverstanden war. Sie war aber nicht wirklich eingeschnappt, sondern mußte erkannt haben, daß ich mich in Gedanken mit ihr beschäftigen wollte, und das gefiel ihr eben nicht besonders. Ich konnte das verstehen, denn immerhin war das ein Thema, das sie persönlich betraf. Aber was konnte ich dafür, wenn sie sich so stur an ihren Zeitplan hielt und ein solches Gespräch ihr gerade nicht ins Programm paßte. Ich konnte einen Gedanken dieser Art nicht unvollendet in der Luft hängen lassen, er würde mich dauernd piesacken und meine Konzentrationsfähigkeit stören. Löschen wollte ich den Gedanken natürlich auch nicht lassen, dafür war mir die Erinnerung an Molly zu wertvoll. Ebensowenig hatte ich Lust, meinen Frust den ganzen lieben langen Tag mit mir herumzuschleppen. Molly mußte das einsehen, und sie tat es auch ganz bestimmt.
    Sie war nicht eine Frau wie jede andere, und das in mancherlei Hinsicht. Zum einen will ich damit sagen, daß sie nicht aus Fleisch und Blut und trotzdem ein Vollblutweib war. Sie war die Seele von einer Frau. Und das im Sinne des Wortes! Für mich die Inkarnation des Weiblichen schlechthin. Ihre Position als Betreuerin räumte ihr natürlich einen besonderen Status ein. Ihr Bewußtsein war zwar in die Zentrale von CCCP integriert, sie war ein Bestandteil der Denkmaschinerie, aber sie war deshalb nicht irgendein Chiffre, den jedes beliebige Parteimitglied anzapfen konnte.
    Sie war meine Maid, die ganz allein für mich da war!
    Kein seelenloser Computer, o nein, das ganz und gar nicht. Molly war zwar eines von vielen menschlichen Bewußtseinen, die in der Denkmaschine von CCCP gespeichert waren, aber keine Nummer, keine Seelsorgerin, die auf Abruf für anonyme Sorgenkinder bereitstand.
    Sie war meine Molly-Maid.
    CCCP hatte ein breites Spektrum von weiblichen und männlichen Bewußtseinen zu bieten, so daß jedes Parteimitglied

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