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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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sehe keinen Grund, dass das ganze Flugzeug …«
    »Sie sehen keinen   Grund ?«, ereiferte sich Gudvang. »Ich sag Ihnen was: Nicht nur das Flugzeug wird das erfahren. Das kann ich Ihnen versichern.«
    Glücklicherweise kamen, angelockt offenbar von Gudvangs untolerierbarem Verhalten, zwei Flugbegleiterinnen, die sich mit unerschütterlicher Freundlichkeit danach erkundigten, ob es Beanstandungen gebe, und welche.
    »Es ist nur …«, bemühte sich Carmen ebenfalls um Freundlichkeit, »dieser Herr ist betrunken und belästigt mich.«
    »Ach, jetzt belästige ich Sie auf einmal?« Gudvangs Stimme schnappte jetzt schier über; er sprang auf, wobei er seinen Tisch hochklappte und so den Plastikbecher zerquetschte; und da er nun genau über ihr war, trieb sie ihre aufkommende Panik ebenfalls aus ihrem Sitz und hinter eine der Flugbegleiterinnen. Gudvang war immer noch nicht zu beruhigen: »Erst texten Sie mich stundenlang voll mit Ihrem ach so tollen Leben, und jetzt   belästige   ich Sie auf einmal?«
    »Mein Herr, ich möchte Sie darauf hinweisen!«, begann eine der Flugbegleiterinnen; ihr Lächeln war nun unübersehbar erstarrt.
    »Nee, nix! Ich lasse mich nicht herumschubsen, jetzt reicht’s.«
    »Ja, ja«, sagte Carmen, nun einerseits halb in Gudvangs Richtung, während sie andererseits den Blick schon zu einer der beiden Flugbegleiterinnen wandte, um zu fragen: »Können Sie mir bitte einen anderen Sitzplatz anbieten?«
    »Ich fürchte, das Flugzeug ist bereits im Landeanflug, deswegen …«
    Carmen deutete an, der Flugbegleiterin etwas Vertrauliches mitteilen zu wollen, sodass diese sich leicht zu ihr hinüberbeugte. »Sie geben mir sofort einen anderen Platz«, sagte sie leise, »oder ich verklage Ihre Fluglinie. Sie können mich nicht neben jemandem sitzen lassen, der körperlich übergriffig ist. Ich werde Sie persönlich wegen Beihilfe zur Nötigung zur Rechenschaft ziehen!«
    Natürlich erzielte sie durch diese Wortwahl umgehend die gewünschte Wirkung. Die Flugbegleiterin schreckte aus ihrer Erstarrung auf, gab sofort den Weg frei und bedeutete Carmen, sie möge ihr in den vorderen Teil des Flugzeugs folgen. Indessen krakeelte Gudvang hinter ihr weiter: »Sie werden schon noch sehen, mit was für einem Gescheiterten Sie es zu tun haben … Sie sind schamlos und frech!« Carmen drehte sich noch einmal zu ihm um und – lachte.
    Aus dem Flugzeug ließ sich Carmen schließlich von zwei Sicherheitskräften begleiten, die sie zum Gepäckband und danach zum Mietwagenschalter eskortierten. Einer der Männer hatte, während sie ihren Rollkoffer vom Band genommen hatte, offenbar von einer der Flugbegleiterinnen Carmens Schal und eine Zeitung zugesteckt bekommen, die auf ihrem Platz gefunden worden waren.
    Beim Europcar-Schalter angelangt, begann sie nun in der Zeitung zu blättern; es war ein deutsches Handelsblatt mit lauter wirtschaftlichen Schlagzeilen, das nicht sie, sondern mutmaßlich Gudvang im Flugzeug zurückgelassen hatte.
    Da von diesem weiterhin nichts zu sehen war, begannen die beiden Sicherheitsleute eine Unterhaltung miteinander zu führen, in der es, wie sie heraushörte, um die Abhängigkeit spanischer Fußballmannschaften von großen Immobiliengesellschaften ging.
    Sie wollte die Zeitung eben wieder zusammenfalten, da fiel ihr Blick zufällig auf einen Namen am Ende eines der Artikel. Sie begriff nicht gleich, wie sie ihn zuordnen sollte; der Moment erinnerte sie auf seltsame Weise an jenen, da in der Hoteltür ein seltsam urvertrautes Gesicht erschienen war, das jedoch mit der Situation so wenig in Übereinstimmung zu bringen war, dass eine klaffende Lücke blieb zwischen Wahrnehmung und Realität – ein Abgrund, in den man hineinfiel und einige Sekunden lang in der Luft hing, bevor man, kurz vor der harten Landung, den überwältigenden Impuls spürte, schreiend davonzulaufen.
    Der Autor des Artikels war Helmut Gudvang. Fieberhaft suchte sie, den Sinn des Artikels zu begreifen; die Schlagzeile lautete: » HRE   verhebt sich an Schrottpapieren«. Ihr Blick wanderte zum Ende des Textes:   Helmut Gudvang, Autor mehrerer Sachbücher über Finanz- und Wirtschaftskriminalität, zählt zu den renommiertesten deutschen Journalisten und schreibt regelmäßig für diese Zeitung. Für seine investigativen Reportagen würdigte ihn die Ludwig-Erhard-Stiftung 2003 mit dem Preis für Wirtschaftspublizistik.
    »Oh«, entwich es Carmen, bevor sie bemerkte, dass die Frau des Mietwagenservice sie

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