Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Arenson, als Anne mit heißen Wangen und auf etwas wackeligen Beinen in den Raum kam.
»Neue Patienten«, schwindelte sie. »Ist ja auch kein Wunder. Sie haben einen Ruf wie Donnerhall.«
Etwas befangen lächelte sie den Mann an, dem sie soeben einen muskelbepackten Lover mit Totenkopf-T-Shirt angedichtet hatte.
»Besten Dank.« Doktor Arenson schien das Kompliment nicht sonderlich zu freuen. Er sah besorgt aus. »Ich wollte Sie sprechen, weil in dieser Praxis einige Dinge vor sich gehen, die nicht ganz korrekt sind.«
Anne wurde flau. »Was meinen Sie?«
Er deutete auf einen weißen Schrank, der neben der Untersuchungsliege stand. »Wissen Sie, was da drin ist?«
»Natürlich, die Musterpackungen mit Medikamenten. Fehlt denn was?«
»Ausgeräumt«, sagte Doktor Arenson mit ausdrucksloser Miene. »Der Schrank war bis obenhin voll mit Viagra, Levitra und Cialis, allesamt Medikamente, die, wie Sie wissen, bei Störungen der penilen Erektion angewendet werden.«
Anne schüttelte den Kopf. »Aber der Schrank ist doch immer abgeschlossen.«
»Stimmt.« Der Arzt verschränkte die Arme hinter dem Kopf und bedachte Anne mit einem bohrenden Blick. »Was jedoch bedeutet, dass sich jemand mit dem entsprechenden Schlüssel nach Herzenslust bedienen kann. Also prinzipiell jeder, der hier arbeitet.«
»Sie verdächtigen doch wohl nicht etwa mich?«, fragte Anne. »So etwas würde ich nie tun! Außerdem … mein Mann steht auch ohne Chemie seinen Mann.«
Doktor Arenson betrachtete die Zimmerdecke. »Das freut mich für Sie. Doch es ist sehr ärgerlich, dass hier Medikamente verschwinden. Bitte behalten Sie die anderen Mitarbeiter im Auge. Und die Patienten.«
»Gern«, versicherte Anne. »Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
»Das wäre alles.« Mit diesen Worten erhob sich Doktor Arenson. Es war schwer zu sagen, was er dachte. Unterstellte er ihr etwas?
Der Arzt begleitete Anne zum Empfangstresen, auf dem die beiden üppigen Rosensträuße lagen.
»Haben Sie heute Geburtstag?« erkundigte er sich erstaunt.
»Hochzeitstag«, schwindelte Anne.
Schon die zweite Notlüge an diesem Morgen. Warum klangen Lügen oft glaubwürdiger als die nackte Wahrheit?
»Interessant«, sagte Doktor Arenson. »Gleich zwei Sträuße? Sie scheinen ein ausgefallenes Liebesleben zu haben.«
»Einer ist von meiner Mutter.«
Notlüge Nummer drei. Allmählich sollte ich Buch über meine Schwindeleien führen, dachte Anne, sonst blicke ich nicht mehr durch.
»Wie nett. Also, dann an die Arbeit.«
Während sich Doktor Arenson in sein Sprechzimmer zurückzog, verstaute Anne ihre Sachen im Spind und streifte ihren weißen Kittel über. Dann stellte sie die beiden Rosensträuße ins Wasser. Sollte sie beide mit nach Hause nehmen? Besser nicht.
Sie beschloss, die Rosen von Marc am Nachmittag ihrer Mutter vorbeizubringen. Die hatte sich ein Dankeschön verdient. Wenn sie in der vergangenen Nacht nicht Lars bei sich aufgenommen hätte, wäre Anne wohl kaum in den Genuss seligster Wonnen gekommen.
Andächtig horchte sie in sich hinein. Sie war wieder eine Frau, die begehrt wurde. Vom Mann, den sie liebte. Konnte es etwas Schöneres geben?
Sie hatte sich kaum gesetzt, als die Eingangstür aufging. Anne musste nur den bleichen Totenkopf auf schwarzem Stoff sehen, um zu wissen, dass ihr Leben kompliziert zu werden versprach. Richtig kompliziert.
***
Von wegen Lunch. Anne hatte nicht vor, mit Tess zu essen. Sie war stinksauer. Wie eine Rachegöttin stürmte sie ins »Benny’s«, fand Tess an der Bar und ging ohne Vorwarnung in den Angriffsmodus über.
»Wer hat Muckis wie Vitali Klitschko und die emotionale Intelligenz eines Regenwurms?« Damit knallte sie ihre Tasche auf den Tresen und baute sich drohend vor Tess auf.
»Also, ich nicht«, sagte Tess, die erschrocken zurückwich. Weit kam sie nicht, nur bis zur Lehne ihres Barhockers.
»Gerade läuft es wieder mit Joachim«, fauchte Anne. »Aber du musst ja unbedingt dazwischengrätschen. Wie konntest du mir das antun!«
Ungläubig starrte Tess ihre Freundin an. »Kriegst du deine Tage? Ich meine, wir Mädels spielen schon ein bisschen verrückt, wenn wir unsere Kirmes haben, aber das ist kein Grund, mich …«
»Ach, so willst du dich rausreden?«, schnitt Anne ihr das Wort ab. »Immer schön so tun, als wüsstest du von nichts? Willkommen an Bord, Käpt’n Begriffsstutzig! Damit kommst du bei mir nicht durch!«
Der Barkeeper, der den Tresen feucht abwischte, kam näher. Offenbar ein
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