Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
eine Hand auf den Arm. »Ich hab’s kapiert.Auch wenn es sehr, sehr schade ist. Du bist genau mein Typ, und, wenn ich es so sagen darf, du hast eine unglaublich erotische Ausstrahlung. Vor allem aber bist du eine Frau mit Kopf und Herz.«
Das waren mehr Komplimente, als Anne sonst in einem ganzen Jahr bekam. Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
»Mehr davon«, rief Tess. »Ich liebe es, wenn Anne Komplimente bekommt!«
»Du hast aber auch ein paar Komplimente verdient«, erwiderte er schelmisch, wofür er einen kleinen Klaps von Tess kassierte. Dann gab er Anne einen Kuss auf die Wange. Einen respektvollen Kuss.
»Ich werde jetzt gehen. Morgen früh habe ich um acht einen Gerichtstermin. Auch Helden müssen mal schlafen.«
Er verabschiedete Tess mit einem High Five. »Ruf mich an, wenn du wieder Dummheiten vorhast, okay?«
»Ja, mein Bodyguard.« Sie stand auf. »Ich bringe dich zur Tür.«
Eine bleierne Müdigkeit erfasste Anne. Sie konnte kaum noch die Augen offenhalten. Als Tess zurück ins Wohnzimmer kam, war sie eingeschlafen. Tess deckte sie mit der Wolldecke zu, die noch auf der Couch lag, dann schlich sie auf Zehenspitzen hinaus.
***
Anne wurde um sechs Uhr morgens vom Klingeln des Telefons geweckt. Schlagartig war sie wach. Hatte sie einen Alptraum gehabt? Doch sie musste nur die Wodkaflasche und die drei Gläser auf dem Couchtisch sehen, um zu wissen, dass sienicht nur schlecht geträumt hatte. Ja, der Abend in der Villa des Grauens hatte sich wirklich ereignet. In allen komischen und schrecklichen Einzelheiten.
Sie schlug die Wolldecke zurück und lief in den Flur. Der Anrufbeantworter sprang an. Joachims Stimme, freundlich und souverän: »Guten Tag, hier sind die drei Westheimers – leider nur vom Band. Schön, dass Sie anrufen. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, wir rufen gern zurück!«
Piiiiep. Anne nahm ab. »Joachim?«, murmelte sie verschlafen.
»Hier ist Schuschu.«
Annes Mutter rief nie so früh an. Sie rief überhaupt selten an. Es war nicht ihr Stil, sich aufzudrängen.
»Ist was passiert? Ist was mit Lars?«, fragte Anne erschrocken.
»Ich hatte gestern Abend einen Anruf. Von Frau Landmann.« Unheilschwangere Pause. »Anne, ich möchte wissen, was bei dir zu Hause los ist.«
Das ist eine lange, lange Geschichte, hätte Anne am liebsten gesagt, aber so, wie Oma Brownie gestrickt war, ließ sie sich nicht mit Plattitüden abspeisen.
»Denkst du an was Bestimmtes?«, fragte Anne, um Zeit zu gewinnen.
»Ich lasse mal die Sadomaso-Spielzeuge beiseite«, kam es wie aus der Hüfte geschossen aus dem Hörer. »Wir leben im 21. Jahrhundert. Und die Sache hat, wie ich weiß, einen gewissen Reiz. Viel wichtiger aber: Lars hat gestern Abend im Kindergarten erzählt, dass er seinen Vater vermisst. Wie sich das aus dem Mund von Frau Landmann anhörte, ist Joachim seit Wochen nicht mehr zu Hause gewesen.«
Mittlerweile war Anne so hellwach, als hätte sie drei doppelte Espresso getrunken. »Das stimmt nicht! Joachim ist Freitagabend zu einer Fortbildung gefahren und Sonntagabend wiedergekommen. Kinder haben ein anderes Zeitempfinden als Erwachsene. Lars kam das sicher länger vor.«
»Kindermund tut Wahrheit kund«, sagte Oma Brownie unbeirrt. »Lars spürt offenbar, dass etwas nicht stimmt. Hat er denn Joachim wenigstens am Sonntagabend gesehen? Oder gestern Morgen?«
Anne setzte sich mit dem Hörer in der Hand auf den Fußboden. »Am Sonntagabend kam er erst sehr spät wieder. Und am Montagmorgen …«
»Ja?«
»Gut, warum soll ich lange drumrum reden? Joachim ist ausgezogen. Nachdem er von seiner Reise zurückgekommen ist. Wir haben uns gestritten, weil er, naja, ich glaube, er hat eine Affäre.«
Ängstlich wartete Anne auf den Kommentar ihrer Mutter. Bestimmt war sie entsetzt, besorgt, überhäufte sie mit Fragen. Oder sagte, sie habe es ja immer schon gewusst. Doch zu Annes größtem Erstaunen reagierte sie völlig anders.
»Das ist ja großartig!«, rief sie. »Endlich kommt mal was in Bewegung bei euch! Ich dachte schon, ihr seid komplett versteinert! Jaaaaa, gut so, man muss die Verhältnisse zum Tanzen bringen!«
Hatte Anne richtig gehört? Jede andere Mutter hätte doch Alarm geschlagen! Und ihre? Fand das auch noch gut.
»Anne? Bist du noch dran?«
»Hm.«
Was sollte sie sagen? Dass sie am vorhergehenden Abendeinem Folterfürsten entwischt war? Mithilfe eines Mannes, der eine Affäre mit ihr wollte? Dass sie sich in Sexshops und SM-Clubs
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