Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Einkäufe präsentierte? Er würde völlig aus dem Häuschensein. Um halb vier war Abholzeit. Die Uhr zeigte genau 15.38 Uhr, als Anne ihren Mini parkte und eilig ausstieg. Der Parkplatz war voller Eltern, die ihre Kinder schon in Empfang genommen hatten. Mit Schlafsäcken und Reisetaschen bepackt, stiegen sie in ihre Autos, während die Kinder lautstark von den Abenteuern der Nacht erzählten.
Der Vater von Soja-Marie winkte Anne zu. Wenigstens schien Lars das Mädchen nicht allzu sehr geärgert zu haben. Anne beschleunigte ihren Schritt und stieg die Treppe zur »Villa Sonnenschein« hoch. Drinnen hatten sich die Räume bereits merklich geleert. Nur noch zwei Kinder saßen im Kuschelraum und spielten mit dem Meerschweinchenpärchen, das gerade Junge bekommen hatte. Bestimmt ein Anlass für Lars, sich mal wieder nach seinem kleinen Bruder zu erkundigen. Aber wo war er überhaupt?
Anne suchte das Spielzimmer ab, den Sportraum, die Bastelecke. Kein Lars. Schließlich schaute sie in der Küche nach. Dort fand sie jedoch nur Frau Landmann, die gerade ein paar buntgemusterte Trinkbecher in die Spülmaschine einräumte.
Die Erzieherin sah sie mit großen Augen an. »Frau Westheimer, was machen Sie denn hier?«
Anne stutzte. Was war das denn für eine blöde Frage? »Lars abholen natürlich.«
»Ja, wussten Sie denn nicht, dass Ihr Mann ihn heute mitnimmt?«
Der Boden schwankte unter Annes Füßen. Vor ihren Augen drehten sich glühende Kreise.
»Mein – Mann?«
Frau Landmann richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Sie glauben gar nicht, wie Lars sich gefreut hat, seinen Papi wiederzusehen.Er hat ihn sehr vermisst. Beim Einschlafen letzte Nacht hat er immer wieder von ihm gesprochen. Bestimmt ist es für Lars eine schöne Abwechslung, dass er jetzt ein paar Tage bei Ihrer Schwiegermutter sein kann. Dann haben Sie alle Zeit der Welt, Ihre«, sie hüstelte, »häuslichen Verhältnisse in Ordnung zu bringen.«
Mein Kind! Er hat mein Kind entführt!, war das Letzte, was Anne dachte, bevor sie auf dem gekachelten Boden der Küche aufschlug.
Kapitel acht
»Geht es Ihnen besser?«
Anne schlug die Augen auf. Rot. Alles rot. Hinter ihrer Stirn pochte es so schmerzhaft, als hätte man ihr einen Presslufthammer implantiert.
»Frau Westheimer, ich bin’s, Gundula Landmann. Tut Ihnen was weh?«
Langsam nahm Anne wahr, dass sie im Kuschelzimmer der »Villa Sonnenschein« lag. Inmitten von einer Million Kissen in einer Million Rotschattierungen. Jedenfalls kam es ihr so vor. Die Erzieherin kniete neben ihr und wrang einen Waschlappen in einer Schüssel Wasser mit Eiswürfeln aus, bevor sie ihn Anne auf die Stirn legte. Schön. Kühl. Stöhnend schloss Anne die Augen.
»Besser«, wimmerte sie. »Etwas besser.«
»Es könnte sein, dass Sie eine Gehirnerschütterung haben«, erklärte Frau Landmann. »Soll ich einen Arzt rufen? Oder Sie ins Krankenhaus bringen?«
»Geht schon. Mein Wagen steht draußen auf dem Parkplatz.«
»Autofahren dürfen Sie auf keinen Fall«, protestierte die Erzieherin mit ihrer Hier-bin-ich-der-King-im-Ring-Stimme, die sie immer aufsetzte, wenn sie die Kinder zur Ruhe mahnte.
»Fliegen vielleicht?«, fragte Anne in einer Aufwallung von kindlichem Trotz. »Oder wie soll ich sonst nach Hause kommen?«
Frau Landmann lächelte nachsichtig. Sie nahm Anne den Waschlappen von der Stirn, wrang ihn erneut aus, tränkte ihn mit kaltem Wasser und legte ihn auf die Stirn zurück.
»Soll ich Ihren Mann anrufen? Ihre Mutter?«
»Meine Mutter, ja, das ist eine gute Idee.« Anne fiel das Sprechen unendlich schwer. Jedes Wort war eine Riesenüberwindung.
»Da können wir ja von Glück sagen, dass Lars bis auf Weiteres bei seiner anderen Oma ist. Er verpasst nicht viel im Kindergarten, den Zoobesuch und die Schlafsackparty hatten wir ja schon. Inzwischen können Sie sich ganz in Ruhe von Ihrem Sturz erholen.«
Wie von einer Wespe gestochen richtete Anne sich auf, was ihr Kopf mit einer neuerlichen Schmerzattacke quittierte. Aber sie achtete gar nicht darauf. Jetzt fiel ihr alles wieder ein. Lars bei Oma Brav! Ihr Sohn im Kinderknast! Wo er nichts durfte, immer nur zurechtgewiesen wurde und todunglücklich war! Wie konnte Joachim ihm das antun. Rabenvater!
»Er, er wird da g-gewaltsam festgehalten, wir müssen ihn b-befreien«, stammelte sie unter größter Anstrengung.
»Liebe Frau Westheimer, nicht doch, Sie phantasieren. Sicherlich eine Begleiterscheinung Ihrer Gehirnerschütterung«, sagte Frau
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