Gib's mir
Samen des Teufels.
Aber als ich erst mal die Geschmacksbarriere und den Lachfaktor überwunden hatte, fand ich das Zeug ziemlich geil. Die aufdringliche Vulgarität machte mich an, aber ganz besonders mochte ich, dass der Sex so entpersonalisiert und anonym dargestellt wurde, so absolut ohne Herz und Seele.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Sex mit Ilya so was Ähnliches sein könnte. Das Problem war bloß, dass ich ein Herz und eine Seele hatte. Und Geschmack hatte ich außerdem.
Bevor ich in die Läden stürmte, ging ich zum Bahnhof und rief eine nichtexistente Person an. Wie ich gehofft hatte, war die Telefonzelle gepflastert mit Kärtchen, die Dinge anboten wie: «Üppige Blondine, erst 18». Dort stand ich, nickte in den tutenden Hörer und studierte die Aushänge.
Fast schon hatte ich vorgehabt, Ilya anzurufen, aber nichts zu sagen – denn ich hatte nichts zu sagen –, sondern nur seine Stimme zu hören, auf dem Anrufbeantworter oder wie auch immer. Ich könnte auch einfach nur feststellen, ob er zu Hause war oder nicht. Er würde ja doch nicht wissen, dass ich es war. Ich würde einfach auflegen. Aber ich verkniff es mir. Es erschien mir zu albern.
Stattdessen verweilte ich einfach einen Moment und ertrank fast im Anblick all der Huren, die dort für ihre Dienste warben, manche mit professionell gedruckten Visitenkarten, andere nur mit handgeschriebenen Zettelchen. Neben einer Telefonnummer sah ich eine mit Filzstift gemalte Sonne, und daneben stand Sex am Meer.
Das alles half mir nicht viel bei meiner Entscheidung, was ich mir denn nun kaufen sollte, aber ich bekam dadurch eine Art Energieschub in Sachen Verruchtheit. Und Verruchtheit, entschied ich, musste ja nicht immer so sehr von feierlicher Gesetztheit verdorben werden wie im Fall des cremefarbenen Sexshops. Verruchtheit kann auch frech und deutlich, billig und glitzernd sein.
Mein Verruchtheitsschub wurde schnell von Schmuddeligkeit überschattet, als ich unter der Brücke an der Trafalgar Street hindurchging und mich dabei an Ilyas Phantasie erinnerte, mich dort im Durchgang zu vögeln. Wie immer hing dort jemand rum, bettelte lethargisch um etwas Kleingeld. Es war einfach zu finster.
Ich schob das Bild von mir und machte mich auf den Weg nach North Laine, dem pulsierenden Herzen von Brighton. Das Viertel besteht aus einem Raster von terrassenartig angelegten Sträßchen, an denen Kneipen liegen und zwischen denen sich ein echtes Paradies von originellen Läden und Cafés erstreckt.
Ich war ein bisschen nervös, ob ich wohl jemandem begegnen würde, weil man in North Laine eigentlich immer irgendjemanden trifft. Es ist der Ort, an dem man sich ein exotisches Tattoo stechen oder malen lässt, seine Retro-Klamotten kauft, seine Glaubwürdigkeit als alternativ Denkender oder seine gebrauchten Bücher. Egal, ob du ein Piercing durch die Klitoris willst, ein Paar Siebziger-Jahre-Plateauschuhe, einen seltenen Remix auf Vinylschallplatte oder irgendwelche exotischen chinesischen Gewürze – du gehst nach North Laine. Und selbst wenn du nichts kaufen willst, gehst du trotzdem nach North Laine, und zwar am liebsten mit deinen Kumpels.
Ich wollte aussehen wie eine Hure, und deshalb wollte ich auch lieber niemanden treffen, der sich mir vielleicht sogar noch zum Zeitvertreib anschließen würde.
Ich bummelte durch die Sydney Street, schaute in ein paar Läden, die Fetischklamotten verkauften, aufreizende Stiefel und allerhand Glitzerkram. Aber all das war mir entweder zu dominamäßig, oder es sah, verdammt nochmal, zu gut aus. Ich wollte mies und billig aussehen, wenn auch wiederum nicht allzu mies und billig – jedenfalls nicht so, dass es ein Schwein gegraust hätte.
Ich ging rüber zum Snoopers Paradise, einer Ansammlung von kleinen Secondhandläden unter einem großen Dach. Nachdem ich mich zunächst von ein paar Original-Schreibtischlampen aus den Fünfzigern hatte ablenken lassen, konzentrierte ich mich jetzt auf die Klamotten.
Ich wühlte mich durch die Mode mehrerer Jahrzehnte: schöne, nicht so schöne und völlig hässliche Sachen. Aber als ich ihn dann sah, wusste ich sofort, dass ich ihn haben musste, nicht nur als Hure, sondern als Beth. Es war ein Plastikregenmantel mit Leopardenmuster – in seiner krassen Falschheit wirkte er noch kränker als ein echter Leopardenfellmantel.
In einem Anfall von Begeisterung hielt ich ihn vor meinen Körper. Er war halb lang und schien genau meine Größe zu haben.
Nachdem mir meine Erwerbung
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