Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
Vom Netzwerk:
neuen Auftrieb gegeben hatte, trat ich, mit lauter bildhaften Vorstellungen von mir selbst, hinaus in die Sonne. Mein Plan war jetzt, mich auf die Suche zu machen nach einem echten Luder-Kleid und ein bisschen Schlampen-Unterwäsche.
    Aber dazu ist es niemals gekommen. Denn als ich mich gerade wieder in den langsam vorbeifließenden Menschenstrom einfügen wollte, entdeckte ich Ilya. Oder besser Ilyas Hinterkopf.
    Mein Herz hüpfte. Bei all den Menschen, die ich zu treffen befürchtet hatte, wäre ich nicht auf ihn gekommen. Ihn so in der Öffentlichkeit zu sehen fühlte sich merkwürdig an; er schien irgendwie nicht hierherzugehören.
    Für einen Augenblick befiel mich Panik: Ich wollte nicht am helllichten Tage mit ihm Belanglosigkeiten austauschen; ich wollte ihm überhaupt nicht begegnen, wenn ich das erste Stück meiner Huren-Garderobe an mich gepresst hielt.
    Aber zwischen ihm und mir waren einige Leute. Er wusste überhaupt nicht, dass ich hinter ihm war. Er würde also auch nicht merken, wenn ich ihm folgte, ihm vielleicht für eine Weile nachlaufen würde – nur um zu sehen, in was für Läden er so ging, nur um ein bisschen neues Material für meinen geistigen Schuhkarton zu bekommen.
    Ich ließ mich ein paar Schritte zurückfallen, versteckte mich hinter Leuten, während ich den Blick auf seinen kurzgeschorenen Kopf gerichtet hielt. Wo er wohl hinging? In den Käseladen für ein paar ausgefallene Sorten? Ins Kensington, um einen Drink zu nehmen? Nein, an beiden Häusern ging er vorbei. Ein paar Augenblicke später tat ich das auch und hielt dabei meinen Kopf gesenkt, als ich den Pub passierte, da ich befürchtete, dass vielleicht jemand an den nach draußen gestellten Tischen saß, der meinen Namen rufen und damit alles verderben könnte.
    Vor mir bog Ilya links ein. Verdammt, ich hatte gehofft, er würde geradeaus bis hinunter auf die Sydney Street gehen. Der Weg nach links bedeutete, dass nicht mehr so viele Läden da waren und sich sofort weniger Leute auf der Straße herumtrieben. Sollte ich wirklich auch nach links abbiegen? Am Ende der Straße stand ich in einer Gruppe von Leuten und zögerte.
    Ich sah, wie Ilya nochmal links abbog – also zurück in die Richtung ging, aus der wir gerade gekommen waren, nur in einer ruhigeren Straße. Was für eine Ausrede könnte ich vorbringen, wenn ich ihm weiter folgte und er sich irgendwann umdrehte? Upper Gardner Street: Das bedeutete eckige Terrassenhäuser mit ein paar Antik-Garagen, teils schäbig, teils fein. Ich konnte ja immer sagen, ich würde noch nach irgendwelchen Möbeln suchen. Und dass ich ihn natürlich vor mir gesehen hatte. Hatte er denn wirklich nicht gehört, wie ich immer wieder seinen Namen gerufen hatte?
    Ich ging links und wieder links, bummelte dabei so, dass Ilya ziemlich weit vor mir ging. Wo wollte er hin? Und warum war er quasi die Hälfte des Weges, den er zurückgelegt hatte, in der anderen Straße wieder zurückgegangen? Hatte er sich verlaufen? Vielleicht wollte er sich, weil er noch nicht lange in Brighton lebte, einfach nur ein bisschen umsehen? Oh, es gab so viel, was ich von ihm wissen wollte.
    Ilya ging die Straße ganz hinunter und bog dann nach rechts ab, verschwand aus meinem Blickfeld. Ich rannte ein Stückchen, um wieder aufzuholen, ängstlich, ihn verloren zu haben. Als Nächstes kam die North Road. Ich konnte immer sagen, ich wäre auf dem Weg zum Postamt.
    Dann bog er nochmal rechts ab zu den Queens Gardens. Das war vielleicht eine Zickzack-Route, die er sich da ausgesucht hatte.
    Queens Gardens: Das war eine Reihe heller Herrenhäuser. Hier könnte ich vorgeben, dass ich … ja, was? Dass ich auf dem Weg zur Trafalgar Street war und dafür nur die hübschere Strecke gewählt hatte?
    Meine Erklärungsversuche wurden immer unplausibler. Vielleicht sollte ich es ganz aufgeben.
    Ja, ich würde nur noch einen kurzen Blick hinunter zu den Queens Gardens werfen und dann meine Einkäufe fortsetzen. Darüber würde ich meine Detektivspielchen dann einfach vergessen. Das Ganze war sowieso eine blöde Idee gewesen.
    Ich bog um die Ecke.
    Ilya stand dort. Ich wäre fast in ihn hineingerannt. Er stand einfach dort, vor einem Laden, der Bilderrahmen verkaufte. Er sah in meine Richtung, wartete auf mich. Er sah ziemlich sauer aus.
    «Oh, hallo», sagte ich munter, zwang mich dazu, nicht rot zu werden. «Ich … ähm … ich hab dich gerade von da hinten gesehen. Und ich dachte, ob du vielleicht … Lust hättest, einen Kaffee

Weitere Kostenlose Bücher