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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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Vergangenheit: mein Lipgloss, einst ein guter Freund, aber inzwischen etwas verloren wirkend und in der Farbe leicht verblasst.
    Trotzdem dachte ich, es könnte genau der krönende Abschluss sein. Ich war richtig froh, dass ich nicht zu jenen ordentlichen Mädchen gehörte, die in regelmäßigen Abständen Frühjahrsputz in ihren Kosmetikkoffern machen. Ich schraubte den Deckel ab, tat das Zeug auf die Spitze des kleinen Pinsels und schmierte es auf meine Lippen. Sie glänzten köstlich, fast so, als würden sie tropfen. Perfekt. Das war schön und verrucht.
    Ich steckte ein paar Nadeln in mein Haar, schob es in die eine Richtung und dann wieder in die andere, bis es verführerisch zerzaust aussah. Die Spitzen wirkten dunkel gegen die verblichen gelbliche Tönung. Das freute mich.
    In nur fünfzehn Minuten würde ich über die Straße gehen zu Ilya und wäre dann, für eine Nacht, seine ordinäre kleine Hure, die sich entsprechend benehmen und ihm das geben würde, was er verlangte. Ich war gespannt und nervös, hatte Schmetterlinge im Bauch; und ich war erregt und geil, meine Spalte saftig und feucht.
    Aber mein Gesicht sah mich aus dem Spiegel ängstlich und angespannt an.
    Ich goss mir einen Wodka ein, wollte zu gern meine Angst mit schwungvoller Frivolität vertreiben. Im Geiste erlebte ich immer wieder unsere kleine Konfrontation im North-Laine-Viertel. Je öfter ich darüber nachdachte, desto unangemessener erschien mir Ilyas Reaktion. Seine flammende Aggression verunsicherte mich zutiefst. Ob er wohl ungemütlich werden konnte? War er paranoid? Oder hatte er wirklich etwas zu verbergen?
    Vielleicht hatte er versucht, mich abzuschütteln, weil er auf dem Weg zu einer anderen Frau war. Oder vielleicht war es noch etwas viel Schlimmeres als das, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was. Immer wieder fragte ich mich, ob er mir gefährlich werden könnte.
    O Gott, Beth, reg dich ab. Es ist nur ein Spiel. Er ist okay. Er hat sich sogar Gedanken über ein Rückzugskommando gemacht: Tintenfisch.
    Ich saß auf einem Stuhl mit steifer Rückenlehne, die Beine übereinandergeschlagen. Mein Lippenstift hinterließ einen billigen Kuss auf dem Rand des Glases, und ich stellte mir vor, wie schlampig er verschmieren würde, wenn Ilya mich küsste. Aber, dachte ich, wird er mich überhaupt küssen? Ich spiele eine Hure, und ich glaube nicht, dass die sich küssen lassen. Vielleicht sollte ich dazu was sagen, wenn ich rüberging: «Ich küsse nicht, ich mach’s nicht von hinten, und ohne Gummi läuft bei mir gar nichts. Halt dich daran, oder ich bin weg.»
    Ich hoffte, ich würde das hinbekommen, ohne befangen zu sein. Das Einzige, was ich bisher in Richtung Rollenspiel erlebt hatte, waren ein paar harmlose Fesselspiele mit einem Seidenschal. Ich hatte vorgegeben, mich zu wehren, aber das Ganze war eher verspielt und albern gewesen. Und das war meiner Erregung nicht besonders zuträglich gewesen. Ich weiß zwar, dass Sex lustig sein kann, das heißt aber noch lange nicht, dass lustig immer auch gleichzeitig sexy ist, wenn man der Sache mal auf den Grund geht.
    Deshalb behalte ich meine Phantasien am liebsten für mich: Dann muss ich sie nicht akzeptabel erscheinen lassen, indem ich sie mit humorigen Bemerkungen zu überzuckern versuche; und wenn ich sie sicher in meinem Kopf verwahre, dann gibt es eben auch nur einen einzigen Menschen, der sie für komisch halten könnte, und das bin ich. Aber das tue ich nicht. Ich finde sie erregend, besonders wenn sie roh und erniedrigend sind. Aber Ilya schien auf meiner Wellenlänge zu liegen. Er lachte nicht.
    Ich lächelte in mich hinein, begann mich plötzlich wieder unverschämt frech und ordinär zu fühlen. Ich fand die Idee gut, unseren Sex als Transaktion zu betrachten – keine Nähe, keine Verführung – nur ganz direkt und unvermittelt, klinisch und verrucht. Und statt Geld würde Lust mein Lohn sein – nicht die Art von Lust, die mir ein empfindsamer Liebhaber bereiten würde, sondern die Art von Lust, die ich daraus schöpfe, erniedrigt und benutzt zu werden, daraus, Ilyas Spielzeug zu sein – ein wertloses Stück Abfall, das er in einer Laune ganz einfach wegwerfen könnte.
    Ich sah hinunter auf meine Schuhe, betrachtete sie mit Befriedigung. Ich hatte sie mir von Clare geliehen, sehr zu ihrer Belustigung. Ich habe ihr aber nicht den Grund gesagt, warum ich sie gern haben wollte. Ich hab mir einfach irgendwelchen Quatsch ausgedacht, wie, dass ich mal ein bisschen üben

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