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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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trinken zu gehen. Wie wär’s? Wollen wir einen Kaffee trinken?»
    «Was tust du hier?», fragte er unfreundlich. «Warum folgst du mir?»
    «Dir folgen?», rief ich mit einem so gespielt überraschten Lächeln aus, dass meine Wangen sofort zu schmerzen begannen. «Ich folge dir doch nicht.»
    «Du bist mir seit den verdammten Kensington Gardens gefolgt», erklärte er, und seine blaugrünen Augen zogen sich wütend zusammen. «Was geht hier ab? Hab ich mich etwa mit einer krankhaft Besessenen eingelassen? Entwickelst du dich etwa zu einer verdammten Stalkerin?»
    «Herrgott», sagte ich und versuchte mein Erschrecken mit einem weiteren gespielten Auflachen zu überdecken. «Natürlich nicht. Krieg dich bloß ein.»
    Der Gedanke, dass er ähnliche Ängste mir gegenüber hatte, wie ich sie ihm gegenüber hegte, war beruhigend, und trotzdem verstörte er mich zutiefst. War ich vielleicht wirklich eine krankhaft Besessene? Vielleicht schon. Hatte ich nicht gerade noch darüber nachgedacht, ihn anzurufen und dann gleich wieder aufzulegen? War ich ihm nicht gerade durch die halbe Stadt nachgelaufen? War das etwa normal?
    War meine Perspektive verschoben? Oder war seine Sicht der Dinge schief? Vielleicht waren wir aber auch beide verrückt.
    «Sieh mal», sagte ich und versuchte, die Situation etwas zu entspannen. «Ist doch nichts passiert. Hör auf, so übertrieben zu reagieren. Ich hab bloß versucht, dich einzuholen. Ich wollte ganz einfach wissen, ob du –»
    «Wirklich, lass es», schnarrte er schmallippig. «Versuch niemals wieder, mich einzuholen, verstehst du?» Ich sah, wie sich seine Hände anspannten und dann wieder lockerten.
    «Herrje», sagte ich und versuchte nicht mehr länger, meine Überraschung zu verstecken. «Was immer du meinst.» Mein Selbstschutzinstinkt ließ mich meine Einkaufstüte an meine Brust drücken. «Es ging bloß um einen Kaffee.»
    Es herrschte Schweigen, dann entspannten sich Ilyas Züge etwas, und er nickte in Richtung meiner Tüte. «Warst du einkaufen?», erkundigte er sich und setzte dabei ein freundliches Lächeln auf.
    «Hhmmm», sagte ich und umklammerte die Tüte nur noch fester.
    «Irgendwas Besonderes?»
    Ich zuckte mit den Schultern, blickte zu Boden. Ich wusste, dass ich einen ziemlich beleidigten Eindruck machen musste, aber das war mir scheißegal. Wie falsch es von mir auch gewesen sein mochte, ihm zu folgen, ich glaubte nicht, dass ich eine solche Aggression verdient hatte.
    «Bleibt’s bei Freitag?», fragte er. Er legte seine Fingerspitzen unter mein Kinn, hob mein Gesicht so an, dass ich gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. Sein Lächeln wurde breiter, und seine Augen funkelten spitzbübisch unter den schweren Lidern.
    Er versuchte, bei mir was gutzumachen. Er wusste, dass er ausgerastet war.
    Und seine raue, wilde Schönheit wirkte so teuflisch sexy, dass ich gar nicht anders konnte, als dahinzuschmelzen.
    «Klar», sagte ich und versuchte, ein lockeres Lächeln aufzusetzen. «Solange ich dabei reich belohnt werde.»
    Ilya grinste und beugte sich herunter, um einen Kuss auf meine Wange zu drücken. «Ich werde mein Bestes geben. In welche Richtung gehst du jetzt?»
    Ich wusste nicht, ob er vorschlagen wollte, mich zu begleiten, oder ob er mich loswerden wollte.
    Also erklärte ich: «In die entgegengesetzte Richtung von der, in die du gehst.»
    «Gut», sagte er. Und wir verabschiedeten uns.
    Mir war die Einkaufslaune vergangen. Ich ging nach Hause.

    Es war Freitagabend, und die kleine Neonröhre über meinem Badezimmerspiegel ließ meine Züge eingefallen und hager wirken. Ich betrachtete mein bemaltes Gesicht, die dunkel umschatteten Augen und diese glänzenden, wulstigen roten Lippen – SL-Lippen hatte einer meiner Ex-Liebhaber sie immer genannt, Schwanzlutscher-Lippen, weil sie so üppig und weich sind.
    Ich hatte erst gar nicht vorgehabt, Lipgloss aufzutragen, hatte noch nicht mal dran gedacht, dass ich so was überhaupt besaß. Aber als ich schließlich das Tulpenrot aufgetragen hatte – was nicht meine gewöhnliche Farbe ist –, sah ich immer noch zu sehr aus wie ich, wenn ich ausgehen will, nur eben ich mit leuchtenderen Lippen und krasserem Augen-Make-up.
    Ich überlegte, ob ich meinen Nasenstecker entfernen sollte, aber ich mochte die schräge Note, die er mir gab, also blieb er drin.
    Auf der Suche nach Inspirationen durchforschte ich den lange vergessenen Bodensatz meiner Schminktasche, und da fand ich es – ein echtes Relikt aus der

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