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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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Spiel wurde unterwandert von einer schlichten, intuitiven Gewissheit: Wir waren nicht auf einer Reise, die Glückseligkeit verhieß und ein am Himmel leuchtendes Feuerwerk, sondern die mit einer dunklen, gefährlichen Implosion enden musste.
    Ich redete mir selbst ein, dass mir das lieber war.
    Ich schrieb ein paar Leuten E-Mails, um Auftritte zu bestätigen, die ich ab Oktober geplant hatte, fügte ein paar neue Adressen in die Postversandliste meiner Datenbank ein und missbrauchte dann das Privileg, dass ich eine Telefonleitung nutzte, für die der Pub bezahlt – die monatlichen Rechnungen, die Geräte, alles eben. Das machen sie, weil ich halt gut fürs Geschäft bin und sie mich bei Laune halten wollen. Ich nutze das nicht allzu sehr aus, aber ein gelegentlicher freier Plausch kann ja nicht schaden.
    Also rief ich Paul in Sydney an, um ihm kurz Hallo zu sagen. Er sagte, es sei bei ihnen kalter Winterabend und er wünschte, er wäre immer noch in Brighton. Dann rief ich Jen an, die unbedingt ihre Ratschläge im Hinblick auf Martin loswerden musste, was mich irritierte und womit sie bei mir dafür sorgte, dass ich mich schrecklich schuldig fühlte. Wir redeten, bis das erwartete Rat-tat-tat an meiner Bürotür ertönte.
    «Nun, vielen Dank für Ihre Unterstützung», sagte ich in meiner geschäftsmäßigen Telefonstimme gerade, als Shaun hereinschaute. «Ich werd wieder auf Sie zukommen, wenn der Termin näher rückt. Auf Wiederhören.»
    «Pfennigfuchserin», hörte ich Jenny sagen, als ich auflegte.
    «Ich stör doch nicht, oder?», fragte Shaun, während er schon eintrat.
    «Nein, kein Problem», antwortete ich und drehte mich mit dem Stuhl um, damit ich ihn ansah. «Ich gehöre ganz dir.»
    Shaun, wie immer in Hemd mit Weste, schickte sich an, seinen kleinen Hintern auf die Fensterbank zu klemmen. Er ist nicht älter als ein Schuljunge – kaum den Pubertätspickeln entwachsen, möchte man meinen –, aber er führt den Pub und versucht den Eindruck zu vermitteln, er sei ein Mann von Welt.
    «Ich hab da einen Vorschlag, den ich dir machen möchte», begann er nach ein bisschen Smalltalk. Er kreuzte die Fußgelenke und versenkte die Fäuste tief in den Taschen. «Wie würde es dir gefallen, ein paar Clubabende mehr pro Monat zu veranstalten? Vielleicht ein bisschen anders als gewöhnlich? Weißt du, ich hab eine Weile nachgedacht, und dabei ist mir –»
    «Oh, wie gefährlich», zog ich ihn auf.
    Er lächelte unsicher. «Ich würde das gern durchziehen», fuhr er fort. «Die Zielgruppe erweitern, mehr Publikum anlocken. Und ich weiß, dass dir das gelingen wird, Beth. Du bist genau die Richtige dafür. Du bringst die Kontakte mit, die Begeisterungsfähigkeit. Du bist ein schlaues Mädchen. Und wir sind mit KörperSprache sowieso schon auf dem besten Weg. Der Laden bekommt allmählich eine richtig gute Reputation. Aber, wie gesagt, wir sind erst auf dem Weg.»
    Ich sah ihn stirnrunzelnd an. «Ich bin nicht sicher, ob ich dir folgen kann. Was stellst du dir denn vor?»
    «Um es einfach zu erklären», sagte er, stand auf und öffnete seinen Kragen: «Mehr Körper.»
    «Kannst du versuchen, es noch einfacher zu erklären?», bat ich. «Willst du damit sagen, du möchtest gern, dass ich den Anteil der darstellenden Kunst erhöhe? Das würde ich nämlich nicht. Ich bin gerade dabei, diese Sachen ein bisschen runterzufahren. Läuft nicht so gut. Und es ist mir schon jetzt schwer genug gefallen, halbwegs anständige Künstler dafür zu finden. Meine Idee war vielmehr, im nächsten Jahr mehr auf Sprache zu setzen, auf das gesprochene Wort. Die Leute –»
    «Ja, aber das ist doch eigentlich alles so elitärer Studentenquatsch, oder?», meinte Shaun, stützte seinen Ellbogen auf den Aktenschrank. «Eher so … literarisches Gewichse.»
    Ich gab ein kurzes, ungläubiges Lachen von mir. «Shaun, du hast echt keine Ahnung. Hast du mal gesehen, was bei meinen Veranstaltungen so passiert? Da sind nicht bloß lauter abgehobene, milchgesichtige Klugscheißer, die Sachen schwafeln wie ‹ist der Autor nicht wundervoll und wie viel Tiefgang sein Buch hat›. Herrje, guck genau hin. Die Leute kommen. Sie hören sich wirklich interessante Sachen an. Sie lachen. Sie trinken Bier.»
    «Genau!», sagte Shaun und fuhr mit der Hand durch die Luft. «Aber nicht im Sommer! Schau mal, so wie ich es sehe, hast du zwar dein Publikum – eine junge, allem Neuen gegenüber aufgeschlossene Zielgruppe –, aber wenn das Semester vorbei

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