Gib's mir
hat. Er war wütend, aufgebracht. Und, ja, bestimmt hat er überreagiert, als ich dort plötzlich auftauchte, aber vielleicht hätte ich auch nicht so neugierig sein sollen. Ich weiß nicht. Es war ein Ausrutscher. Und sonst ist alles … ist alles gut. Ich kann jetzt noch nicht Schluss machen. Ich hab mich mit Haut und Haaren darauf eingelassen, was zwischen uns passiert. Ich kann es nicht ändern, obwohl ich mir wünsche, ich könnte es.»
Jenny versuchte einen besorgten Seufzer zu unterdrücken. Ich spürte, dass meine Wenn und Aber sie ermüdeten. Zwischen uns herrschte plötzlich Schweigen, steif und angespannt, und eine ganze Zeit lang tranken wir einfach nur unser Bier. Jenny drehte sich noch eine Zigarette.
«Schau mal, vielleicht ist die einzige Möglichkeit, ihn aus deinem System rauszukriegen, mit ihm Schluss zu machen. Okay, das mag vielleicht wehtun. Aber langfristig wird es das Beste sein für dich. Früher oder später muss doch sowieso Schluss sein. Also bring es lieber hinter dich, bevor dieser Typ wirklich irgendwann zu weit geht.»
«Aber ich kann es nicht», protestierte ich. «Es ist einfach zu verlockend. Der Sex, unser Spiel, nie zu wissen, was als Nächstes passieren wird. Es ist nicht nur er, der mich im Griff hat. Es ist auch das Spiel an sich. Ich weiß, dass du es total merkwürdig finden musst, dass ich mich hier plötzlich als verkappte Hure zu erkennen gebe –»
«Jedem nach seinem Geschmack», meinte Jenny achselzuckend. «Oder glaubst du, ich wollte mir darüber ein Urteil erlauben? Ich denke bloß, es müsste doch einen besseren Weg geben, deine Phantasien auszuleben. Und ich verstehe nicht, warum du es bisher nicht getan hast – als du mit jemandem zusammen warst, für den du wirklich was empfunden hast. Jemand, dem du vertraut und den du geliebt hast.»
«Jetzt ist es zu spät», sagte ich.
«Dann warte wenigstens», drängte sie. «Warte, bis wieder ein Typ vorbeikommt, der dein Herz höherschlagen lässt. Spar’s dir einfach auf und dann – peng. Dann kannst du es genießen. Mit dem Richtigen, und der wird sein Glück nicht fassen können.»
«Ich glaube nicht, dass das klappt», erwiderte ich trostlos. «Es ist einfach … ich denke nicht, dass es was mit Liebe zu tun hat. Das ist sogar ein Teil des Reizes daran.» Ich senkte meine Stimme, als eine Bedienung, die Gläser einsammelte, an unserem Tisch vorbeikam. «Wir tun ja keine normalen Sachen zusammen oder offenbaren uns unsere Gefühle oder machen Liebe. Das war doch gerade unsere Abmachung. Wir wollten es unkompliziert und rein halten – Sex ohne Komplikationen. Und diese Idee macht mich total an, die Idee von unpersönlichem, schmutzigem Sex. Oder hat mich zumindest angemacht. Es geht um … ich meine, wir spielen bloß ein Spiel zusammen. Das ist alles. Wir haben uns nicht emotional auf irgendwas eingelassen und –»
«Aber doch, das hast du», bestand Jenny auf ihrer Position. «Du hast dich emotional vollkommen auf ihn eingelassen. Vielleicht hat er es nicht getan, aber du schon, und das ist überhaupt keine gute Kombination. Das ist gar keine gute Grundlage für dieses Spiel, wie du es nennst. Er kann diese Situation nämlich gegen dich ausnutzen. Er kann dich behandeln wie den letzten Dreck, und du würdest doch immer wieder angekrochen kommen. Es ist verrückt, vollkommen verrückt. Ich meine, guck dir doch mal den heutigen Nachmittag an. Wenn er das Gefühl hat, er kommt durch damit, wie er sich benommen hat, dann wird es vielleicht beim nächsten Mal noch schlimmer. Viel schlimmer. Sieh zu, dass du da rauskommst, Beth. Mach Schluss. Schick ihn in die Wüste.»
Ich antwortete nicht.
«O Gott, Beth», murmelte Jenny und sah mich besorgt und ungläubig an. «Du willst , dass es noch schlimmer wird, oder?»
Ich zuckte mit den Schultern und begann, den Rand meines Bierdeckels zu zerlegen.
Jenny atmete tief aus und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, schüttelte mahnend den Kopf.
«Du willst dir Ärger einhandeln, was, Beth? Du willst echt Ärger haben.»
Kapitel zehn
Ilya schickte mir weiße Blumen – einen riesengroßen Strauß feingeschwungener Lilien, durchsetzt von noch ganz geschlossenen Nelken und irgendwelchen stachligen Blumen, die ich nicht kannte. Sie wurden in einer Schachtel von einem Blumenboten mit Klemmbrett gebracht.
In meiner Wohnung las ich dann die kleine Karte: «Mein Finger sieht ziemlich schlimm aus. Ich bin wohl ein bisschen zu weit gegangen.»
Es war in großen,
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