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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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runden Buchstaben geschrieben, und es stand kein Name dabei. Im Geiste fügte ich zwar «von Ilya» hinzu; aber wahrscheinlich entspräche «von Karen, der Siebzehnjährigen, deren Job es ist, diese Karten zu schreiben» eher der Wahrheit.
    Ich kochte vor Wut.
    Wenn die Blumen nicht so empörend schön gewesen wären, hätte ich sie bestimmt sofort in die Tonne gehauen. Aber das brachte ich nicht über mich; sie hatten ja schließlich nichts verbrochen. Sie hatten ja noch nicht einmal richtig zu leben begonnen. Es waren ja noch Knospen, verheißungsvoll prall.
    Ich störte mich nicht wirklich daran, dass es auf der Karte mit keiner Silbe hieß «entschuldige bitte» oder «verzeih mir» – obwohl das schon ganz nett gewesen wäre. Aber «entschuldige bitte und verzeih mir» sind bloß Worte, und immerhin war es ja das, was die ganze Aktion zu bedeuten hatte; wenn auch anders ausgedrückt.
    Und ich fand es schrecklich, wie er es ausgedrückt hatte. Es war stumpf, gedankenlos, vage, unpersönlich und beleidigend.
    Was sollte ich davon halten? Denken: Oh, wie wundervoll, er hat sich die Mühe gemacht, mir Blumen zu schicken, also muss tief in ihm drinnen doch ein warmes, gutes Herz schlagen?
    Nun, das tat ich nicht. Ich dachte bloß: Er hat sich die Mühe gemacht, seine Kreditkarte zu zücken. Was für eine Geste!
    Ich meldete mich nicht bei ihm. Ich rief ihn nicht an, um mich zu bedanken oder «Komm, lass uns reden» zu sagen oder «Du widerlicher, brutaler, falscher Dreckskerl, was zum Teufel wolltest du damit erreichen?».
    Und er ließ auch nichts von sich hören. Na gut, dachte ich mir. Dann machen wir eben einen Testlauf mit dem Ziel «Tintenfisch», und ich schau mal, wie ich ohne dich zurechtkomme.
    Vielleicht hätte ich es hingenommen, mir mit ihm einigen Ärger einzuhandeln, aber ich war nicht bereit, darum auch noch zu betteln.
    Abgesehen davon, hatte ich jede Menge zu tun. Es galt KoolSex zu verkaufen.

    Die Bars und Clubs an der Hafenpromenade in Brighton liegen unter den Arkaden, wo sich in früheren Zeiten die Fischer trafen, ihre Netze flickten und auf ihren Pfeifen kauten.
    Die Arkaden gibt’s noch, die Fischer sind inzwischen ziemlich wenige geworden.
    In einigen der Bars gehört das typische Natursteingewölbe der Decken zum Ambiente; andere Clubs geben sich alle erdenkliche Mühe, das Alte möglichst zu verstecken. Der Club, in dem wir waren, wirkte ein bisschen wie ein Lagerhaus, und die Leute auf der Tanzfläche glitzerten und zuckten unter kaleidoskopartig tanzenden Lichtern.
    «KoolSex, zwei Pfund», rief ich über die wummernde Musik einem Typen mit türkis-blondem Haar zu, der auf unsere Gruppe zukam. Ich drückte ihm einen Werbezettel in die Hand. Er nahm ihn, hob die Augenbrauen in milder Interessiertheit, sagte: «Super», und ich setzte mein lautes Gespräch fort, während er eines mit jemandem anderen begann.
    Das ist das Problem, wenn man in Brighton Flyer verteilt. Du könntest welche unters Volk bringen, auf denen steht: «Hier ficken Paviane auf offener Bühne», und die Leute würden nur nicken und die Dinger in die Tasche stecken oder sie gleich auf den Boden segeln lassen, je nachdem, wie höflich sie sind. Und sie würden vermutlich keinen Gedanken daran verschwenden. Und selbst wenn, würden sie «Hier ficken Paviane auf offener Bühne» für den Namen einer neuen Band halten oder den Veranstaltungstitel eines Szene-Clubs. Vielleicht würden sie sogar annehmen, es ginge um genau das, was der Titel beschreibt – und dann? Wir sind hier in Brighton. Da ist eben alles möglich.
    Mundpropaganda ist die allerbeste Möglichkeit, etwas öffentlich anzukündigen. Also begann ich, jeder Menge Leute von dem kühnen Projekt «KoolSex» zu erzählen. Ich schien auch schon allerhand Appetit erzeugt zu haben, aber an jenem Abend packten mich dann doch mal wieder die Zweifel, und ich beschloss, die Werbetrommel mal ein bisschen ruhen zu lassen und mir etwas Spaß zu gönnen.
    Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge hinüber zu der Stelle, wo Jen, Fiona, Ellie und die ganze Bande anderer Freunde sich um einen hohen verchromten Tisch scharten und jeder in eine Richtung schreiend kommunizierte.
    «Einen Wodka für unsere Puffmutter», rief Jenny beschwipst und hielt mir ein Glas hin. Ich nahm es und trank, unterhielt mich dabei laut mit einem Typen, der sich für einen Dichter hielt, wie ich mich dunkel erinnerte.
    Dann mischte sich dicht an meinem Ohr eine Stimme ein mit den Worten: «Hallo,

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