Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
Hand.
Gideon räusperte sich. »Danke, aber ich muss das allein hinkriegen.« Er merkte selbst, wie lahm das klang, noch während er es sagte.
»Aber … werde ich dich wiedersehen? Das Geld ist mir schnuppe.«
Gideon blickte sie an und war schockiert über den Ausdruck in ihren Gesichtszügen.
Er dachte daran, sie anzulügen, sagte sich aber, dass die Wahrheit letztlich weniger schmerzlich wäre. »Nein. Ich werde dich nicht anrufen. Schau mal, das Geld gehört dir. Du hast es verdient.« Ungeduldig wedelte er mit den Geldscheinen.
»Ich will dein Geld nicht. Sondern, dass du mich anrufst.«
»Sieh mal«, erwiderte Gideon so kühl, wie er konnte. »Das hier eben war ein Geschäft, und du hast deine Sache gut gemacht. Nimm einfach das Geld und verschwinde.«
Sie schnappte sich die Geldscheine. »Du bist ein Arschloch.« Sie wandte sich zum Gehen, während er sich bemühte zu übersehen, dass sie weinte.
»Goodbye«, sagte er und zuckte innerlich zusammen.
»Goodbye, Wichser.«
27
Gideon schlenderte die Fifth Avenue hinauf und betrat den Central Park durch das Tor an der 102. Straße. Er fühlte sich absolut furchtbar. Es war früher Abend, auf den Wegen wimmelte es von Joggern. Er bekam Orchids Liebeskummerausdruck einfach nicht aus dem Kopf. Und jetzt, da Wu tot war – und sein Auftrag damit im Eimer – stellte er fest, dass er in Gedanken ständig wiederholte, wie Glinn seine Krankenakte mit sorgenvoller Miene hervorgeholt hatte.
Arteriovenöse Missbildung
. Je länger er darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam die Sache ihm vor, diese mysteriöse Erkrankung, die spätestens in einem Jahr zu seinem Tode führen würde, ohne Vorwarnung, ohne Behandlungsmethode, ohne Krankheitsanzeichen, nichts. Das Ganze kam ihm unecht vor, roch nach psychologischer Manipulation. Glinn schien genau der Typ zu sein, der einem eine Story erzählte, wenn er dadurch bekam, was er haben wollte. Gideon ging weiter, ohne Ziel vor Augen, und überquerte die Baseballfelder in Richtung Westen.
Das ist verrückt
, dachte er,
vergiss Orchid und deine Krankenakte und mach mit deinem Leben weiter. Konzentrier dich auf das Problem.
Aber er konnte nicht vergessen. Er zog das neue Handy, das er sich gekauft hatte – ein billiges mit Prepaid-Vertrag – aus der Tasche und rief im Weitergehen Tom O’Brien an.
»Jaaa«, ließ sich die Reibeisenstimme nach unmäßig langem Läuten vernehmen.
»Gideon hier. Was gibt’s Neues?«
»Mein Gott, du hast mir doch gesagt, ich hätte vierundzwanzig Stunden Zeit.«
»Und?«
»Na ja, die Kreditkarte und der Pass sind genau das. Keine verborgenen Daten. Beim Handy das gleiche Bild. Ist ein brandneues SIM -Karten-Handy, vermutlich erst kürzlich gekauft.«
»Verdammt.«
»Da sind bloß die Kontakte drauf, die du schon hast, ein paar neuere Anrufe, aber mehr nicht. Keine weiteren versteckten Daten, keine geheimen Mikrochips, nichts.«
»Irgendwelche Erkenntnisse hinsichtlich der Zahlenreihe, die ich dir gegeben habe?«
»Die ist sehr viel interessanter. Ich arbeite noch dran.«
Gideon wandte sich nach Süden. Es dämmerte, langsam leerte sich der Park.
»Wieso interessant?«
»Wie ich dir bereits gesagt habe, da sind jede Menge Muster drin.«
»Zum Beispiel?«
»Wiederholte Zahlen, Reihen von abnehmenden Zahlen, solche Sachen. Im Moment ist schwer zu sagen, was die Zahlen bedeuten. Ich hab gerade erst mit der Analyse angefangen.«
Vor ihm zeichnete sich der Reservoir-See des Central Park ab. Gideon betrat den Joggingweg. Das Wasser lag dunkel und still. In der Ferne, Richtung Süden, über den Baumkronen, war die Skyline von Midtown Manhattan zu sehen, die Lichter in den Gebäuden schimmerten vor dem dunkler werdenden Himmel.
»Woher weißt du das?«
»Jeder anständige Code ergibt eine Zahlenfolge, die willkürlich aussieht. Das ist sie natürlich nicht, aber alle mathematischen Tests der Frage, ob es sich um eine willkürliche Zahlenfolge handelt, werden nachweisen, dass sie es ist. Im vorliegenden Fall zeigt sogar der einfachste Test, dass die Zahlenfolge nicht willkürlich ist.«
»Test? Zum Beispiel?«
»Indem man die Zahlen zusammenzählt. Eine wirklich zufällige Zahlenreihe hat ungefähr zehn Prozent Nullen, zehn Prozent Einsen und so weiter. Diese enthält dagegen überproportional viele Nullen und Einsen.«
Stille. Gideon holte tief Luft und versuchte, unbeschwert zu klingen. »Und die CT -Schichtaufnahmen, die ich dir gegeben habe?«
»Ach ja. Die hab ich
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