Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
auseinanderging, blieb Gideon am Eingang stehen und wartete. Die Frau, die die Sitzung geleitet hatte, bemerkte ihn und kam zu ihm herüber. Sie war klein und hatte ein ausgesprochen rundes, sympathisches Gesicht.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja.« Er strahlte sie an. »Ich heiße Gideon Crew, und mein Sohn Tyler geht ab Herbst auf die Throckmorton Academy – wir sind vor kurzem aus New Mexico hierhergezogen. Er wird in die Klasse Ihres Sohnes kommen.«
»Wie schön«, sagte sie und lächelte. »Herzlich willkommen.«
Sie schüttelten einander die Hand; die Frau stellte sich ihm vor.
»Wir haben meinen Sohn adoptiert«, fuhr Gideon fort, »aus Korea. Wir wollen sichergehen, dass er sich dort wie zu Hause fühlt – er hat noch ein paar Probleme mit dem Englischen –, und deshalb waren meine Frau und ich erfreut zu erfahren, dass auch noch andere asiatische Kinder in der Klasse sind. Es ist schwierig, an einem neuen Wohnort eine gute Schule zu finden. Deshalb hatte ich gehofft, Sie und einige der anderen Eltern zu treffen.«
»Ich spreche mit Jie über Ihren Jungen. Jie ist ein sehr freundliches Kind, und ich weiß, dass er sich besonders große Mühe geben wird, sich mit Ihrem Sohn anzufreunden.«
Gideon war das peinlich. »Vielen Dank, das wird meinem Sohn bestimmt sehr helfen.« Er wandte sich zum Gehen, aber dann drehte er sich, einem Impuls folgend, noch einmal um. »Verzeihen Sie, wenn ich Sie belästige. Ich konnte nicht anders als zuzusehen, was hier in dem Raum vor sich ging, während ich wartete, um mit Ihnen zu sprechen. Mich hat das sehr angesprochen, die Musik, die Bewegungen. Worum handelt es sich dabei eigentlich genau?«
Ihre Miene hellte sich auf. »Wir praktizieren hier Falun Gong – oder genauer gesagt Falun Dafa.«
»Ich bin sehr neugierig, und … na ja, ich fand es sehr schön. Wozu dient dieses Falun Dafa? Zur körperlichen Ertüchtigung?«
»Das ist nur ein kleiner Teil. Bei Falun Dafa handelt es sich um eine umfassende Lehre zur Kultivierung von Körper und Geist, einen Weg, um das ursprüngliche, wahre Selbst wiederzuerlangen.«
»Handelt es sich um eine Religion?«
»O nein. Es ist eine Form von Wissenschaft. Auch wenn es buddhistische und taoistische Prinzipien einschließt. Man könnte es einen spirituellen und geistigen Pfad nennen. Eine Religion ist etwas anderes.«
»Ich würde gern mehr darüber erfahren.«
Sie reagierte warmherzig und zuvorkommend mit einer gut geprobten Beschreibung. »Die Praktizierenden von Dafa werden von universellen Prinzipien geleitet: Aufrichtigkeit, Mitgefühl und Zurückhaltung. Wir streben kontinuierlich danach, uns mit diesen Prinzipien in Einklang zu bringen, durch eine Reihe von fünf einfachen Übungen sowie durch Meditation. Mit der Zeit wandeln diese Übungen Körper und Geist und verbinden uns mit den tiefsten und profundesten Wahrheiten des Kosmos. Und auf diese Weise findet man am Ende den Pfad zur Rückkehr zum wahren Selbst.«
Das war zweifellos ein Thema, das ihr am Herzen lag. Trotzdem, auf eine merkwürdige Art war Gideon aufrichtig beeindruckt. Es war ja vielleicht tatsächlich etwas dran; er hatte es gefühlt, allein schon durchs Zuhören und Beobachten der Bewegungen. »Darf jedermann an den Sitzungen teilnehmen?«
»Selbstverständlich. Wir heißen alle Menschen willkommen. Wie Sie ja gesehen haben, haben wir alle möglichen Praktizierende, aus jeder sozialen Schicht, von jeder Herkunft – ja mehr noch, die meisten unserer Praktizierenden hier sind Menschen aus dem westlichen Kulturkreis. Möchten Sie einmal an einer Sitzung teilnehmen?«
»Gern. Ist das teuer?«
Sie lachte. »Sie können kommen, zuhören, die Übungen machen, so lange Sie wollen. Die meisten unserer englischsprachigen Sitzungen finden abends statt. Wenn Sie zukünftig den Eindruck haben, dass wir Ihnen helfen können, würden wir natürlich eine Spende für das Zentrum willkommen heißen. Wir erheben aber keine Gebühren.«
»Stammen die Übungen aus China?«
Da zögerte die Frau. »Unsere Bewegung steht in Zusammenhang mit alten chinesischen Überlieferungen und Glaubensüberzeugungen. Aber sie ist in China unterdrückt worden.«
Das wäre ein extrem interessantes weiterführendes Thema. Doch erst einmal musste er die ältere Frau finden – die Großmutter. »Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben. Ich werde bestimmt einmal an einer der Sitzungen teilnehmen. Aber kommen wir zur Schule zurück: Mir wurde dort mitgeteilt,
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