Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
machen Sie mal.«
19
S imon Blaine wohnte in einem großen Haus rund 800 Meter von der Plaza entfernt, am Old Santa Fe Trail. Weil Fordyce mit ihrem Auto nach Albuquerque gefahren war, ging Gideon von der Plaza aus zu Fuß. Das Wetter war prachtvoll, ein warmer Sommertag im Hochgebirge, nicht zu heiß. Der Himmel war königsblau, nur über den fernen Sandia Mountains ballten sich ein paar Wolken zusammen. Gideon überlegte, ob Blaine sich wohl noch in Santa Fe aufhielt. Die Stadt war mittlerweile halbleer.
Noch acht Tage bis zum N-Day. Die Uhr tickte. Trotzdem war er froh darüber, in Santa Fe zu sein und nicht in New York, wo das absolute Chaos ausgebrochen war. Der größte Teil des Finanzdistrikts, die Wall Street, das World-Trade-Center-Gelände und der Teil von Midtown um das Empire State Building herum war verlassen worden – unvermeidlicherweise gefolgt von Plünderungen, Bränden und dem Einsatz der Nationalgarde. Seit gestern gab es einen großen Medienrummel mit hysterischen Angriffen auf den Präsidenten. Gewisse Medienpersönlichkeiten nutzten die Situation zu ihrem eigenen Vorteil aus und peitschten die öffentliche Meinung auf. Amerika bewältigte die Krise nicht sonderlich gut.
Gideon schüttelte diese Gedanken ab, als er vor Blaines Haus ankam. Es lag versteckt hinter einer hohen Mauer aus Kalksandstein, die sich entlang der Straße hinzog. Das Einzige, was hinter der Mauer zu sehen war, waren die Wipfel zahlreicher Zitterpappeln, die im Wind rauschten. Das Tor bestand aus solidem Schmiedeeisen und verwittertem altem Scheunenholz. Gideon fand nicht einmal eine Ritze, durch die er hätte spähen können. Er entdeckte die Gegensprechanlage, die in die Mauer neben dem Tor eingelassen war, klingelte und wartete.
Nichts.
Er klingelte erneut. Niemand zu Hause? Es gab nur eine Möglichkeit, das festzustellen.
Er schlenderte an der Mauer entlang bis zur Ecke des Grundstücks. Über Mauern zu klettern war er gewohnt, also sprang er hoch, packte die Mauerkrone und zog sich ohne größere Schwierigkeiten über die groben Lehmziegel. Im Nu landete er auf der anderen Seite in einem kleinen Zitterpappelwäldchen, das vom Haus aus nicht einsehbar war. Ein künstlicher Wasserfall plätscherte über Steine in einen kleinen Teich. Hinter einem Rasen, so grün wie ein Billardtisch, lag ein niedriges, ausgedehntes, aus getrockneten Lehmziegeln erbautes Haus mit zahlreichen Türen und Veranden und mindestens einem Dutzend Schornsteinen.
Durch die Fenster sah er eine Person umhergehen. Doch, es war jemand zu Hause. Es ärgerte ihn, dass man ihm nicht geöffnet hatte. Er befingerte den Ausweis, der ihm endlich ausgestellt worden war – und den Fordyce ihm, wie es schien, mit einem gewissen Widerstreben ausgehändigt hatte –, ging an der Mauer entlang zum Eingang zurück und drückte auf den Knopf, um das Tor zu öffnen, damit es so aussah, er wäre er auf diesem Weg hineingelangt. Als das Tor aufschwang, trat er auf die Auffahrt und marschierte zur Vordertür. Er klingelte.
Er musste lange warten. Er klingelte erneut, und dann, endlich, hörte er Schritte im Flur. Die Tür öffnete sich, und dahinter stand eine schlanke junge Frau, etwa Mitte zwanzig, mit einem langen, wehenden Haarschopf. Sie trug Jeans, eine enganliegende weiße Bluse, Cowboystiefel und eine finstere Miene zur Schau. Sie hatte dunkle Augen und hellblonde Haare – eine ungewöhnliche Mischung.
»Wer sind Sie denn?«, fragte sie, stemmte die Hände in die Hüften und warf die Haare nach hinten. »Und wie sind Sie hier reingekommen?«
Gideon hatte sich bereits überlegt, was die beste Vorgehensweise wäre; ihr freches Auftreten entschied die Frage. Lächelnd griff er in seine Tasche, holte unverschämt langsam den Ausweis hervor und ahmte Fordyce nach, indem er ihr den Ausweis dicht vors Gesicht hielt und damit in ihren persönlichen Raum eindrang. »Gideon Crew, Verbindungsmann des FBI.«
»Nehmen Sie das Ding weg.«
Lächelnd sagte Gideon: »Sie sollten einen Blick darauf werfen. Das ist Ihre letzte Gelegenheit.«
Sie antwortete mit einem kalten Lächeln und streckte die Hand aus, doch anstatt den Ausweis zu nehmen, schlug sie seine Hand weg wie eine lästige Fliege.
Einen Augenblick stand Gideon verblüfft da. Ihre Miene war trotzig, ihre Augen blitzten, in ihrem zarten Hals pochte eine Ader – das war eine Tigerin. Als er sein Handy zückte, tat es ihm fast leid, dass er einer solchen Frau so etwas antun musste. Er wählte die
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