Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
New-Mexico-Zeit hatte er einen routinemäßigen Bericht abzuliefern. Demnach blieb ihm noch eine Stunde Zeit, um seine Gehirnwindungen in Schwung zu bringen.
Zehn Minuten vor dem Anruf, mitten im Rasieren, klingelte sein Handy. Erneut fluchend, wischte er sich die Hände trocken und ging ran.
»Spreche ich mit Special Agent Fordyce?« Am anderen Ende der Leitung ertönte die kühle Stimme von Dr. Myron Dart.
»Entschuldigen Sie, aber ich dachte, unser Konferenzanruf sei für halb acht anberaumt«, sagte Fordyce verärgert und wischte sich den Rasierschaum von der unrasierten Seite seines Gesichts.
»Der Konferenzanruf ist gestrichen. Sind Sie absolut allein?«
»Ja.«
»Ich habe einige Informationen für Sie, auf die ich soeben aufmerksam gemacht wurde. Informationen, die … sehr brisant sind.«
Die Circle Y Movie Ranch lag im Norden von Santa Fe, im Piedra-Lumbre-Becken. Die 400-Hektar-Ranch wurde durch den Jasper Wash zweigeteilt und war von Hochebenen und Bergen umgeben, die sich bis zum Horizont erstreckten. Es war ein heißer Junitag, die Wüstenluft war leuchtend klar. Die Circle Y war die berühmteste der vielen sogenannten »Kino-Ranches« in der Umgegend von Santa Fe, eine in Betrieb befindliche Viehranch, die darüber hinaus mehrere Western-Kinokulissen beherbergte, die Hollywoodstudios für Dreharbeiten zu ihren Kino- und Fernsehfilmen nutzten.
Während Gideon die gewundene Ranchstraße entlangfuhr, erhob sich aus der Ebene das Bild einer Westernstadt, mit einem Kirchturm am einen Ende und einem klassischen Westernfriedhof mit aufragenden Grabsteinen am anderen. Eine staubige Hauptstraße verlief der Länge nach durch die Stadt. Wenn man sich ihr von hinten näherte, sah sie jedoch ein wenig seltsam aus, bis sich die Gebäude als bloße Fassaden erwiesen, die von zusammengezimmerten Gerüsten vor dem Umstürzen bewahrt wurden. Unmittelbar hinter diesem Pseudo-Dorf verlief der Jasper Creek, ein Fluss, der im Moment kein Wasser führte und der sich durch eine schmale, saisonal trockene Schlucht zwischen Felsvorsprüngen wand, die hier und da mit uralten Pappeln gesprenkelt waren.
Es war eine Postkartenidylle, alles wirkte wie golden gemalt in der frühmorgendlichen Sonne unter saphirblauem Himmel. Zwar war die Luft noch kalt, aber Gideon spürte bereits, dass es ein sengend heißer Tag werden würde.
Er parkte auf dem unbefestigten Parkplatz an der einen Seite der Stadt, in einem Bereich, der mit einem Seil für Fahrzeuge gekennzeichnet war. Gideon schlenderte auf die Filmkulisse zu. Im Ort war viel los, überall waren Kamera-Galgen zu sehen, hydraulische Arbeitsbühnen und Scheinwerfer, die das von lauten Befehlen aus Megaphonen durchbrochene Treiben überragten, dazwischen liefen Leute hierhin und dorthin.
Die Stadt war zum großen Teil mit Plastikband abgesperrt worden, und als Gideon sich der Sperre näherte, fing ihn ein Mann mit einem Klemmbrett ab. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte er und versperrte Gideon den Weg.
»Ich möchte gern Simon Blaine sprechen.«
»Erwartet er Sie?«
Gideon zückte seinen Ausweis. »Ich bin vom FBI.« Er lächelte den Mann freundlich an und – er konnte sich das einfach nicht verkneifen – zwinkerte. Ich könnte mich an so was durchaus gewöhnen.
Der Mann nahm den Ausweis entgegen und musterte ihn lange, ehe er ihn Gideon zurückgab. »Worum geht’s denn?«
»Das darf ich nicht sagen.«
»Mr. Blaine ist zurzeit beschäftigt. Können Sie warten?«
»Wir haben hier doch wohl nicht ein Problem?«
»Äh, nein, absolut nicht. Aber … lassen Sie mich mal nachsehen, ob er frei ist.«
Der Mann eilte davon. Gideon nutzte die Gelegenheit, sich unter dem Absperrband hindurch zu bücken und in die »Stadt« zu schlendern. Die lange Hauptstraße verlief zwischen einem Saloon, einer Schmiede und einem Sheriffbüro. Eine Steppenhexe rollte vorbei, und Gideon sah, dass es sich um eine echte Steppenhexe handelte, die mit goldgelber Farbe eingesprüht worden war, und dass sie von einer Windmaschine vorangedrückt würde, die hinter einer falschen Fassade stand. Weitere mit Farbe eingesprühte Steppenhexen stapelten sich in einem Drahtkorb neben der Windmaschine und wurden, eine nach der anderen, von einem Arbeiter mit gerufenen Anweisungen an den Mann an der Windmaschine ausgegeben, wohin genau die Gewächse geweht werden sollten.
Eine Gruppe Reiter im Western-Outfit kam auf Paint Horses die Straße heruntergetrappelt. Die vorderste Reiterin war Alida,
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