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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Bein.
    »Na danke«, maulte Kalkbrenner und leerte sein Bierglas in einem Zug. »So viel also zur berühmten Hundetreue.«
    Hubertus lachte. »Er steht nun mal auf Gewinner.«
    Das Essen wurde serviert. Während sie den gebratenen Dorsch verzehrten, schwiegen sie in den Genuss vertieft. Auch die Seniorenbande am Nachbartisch war glücklicherweise verstummt. Die Herrschaften saßen in ihren Stühlen, vielen war ihr Kopf erschöpft auf die Brust gesunken. Vielleicht waren sie auch eingeschlafen. Oder betrunken? So genau konnte man das nicht erkennen. Die Sonne war jetzt fast völlig hinter dem Horizont verschwunden, an ihre Stelle trat Dunkelheit, und die Laternen rings um die Terrasse warfen kleine Lichtkegel.
    Das Meer hinter den Dünen war jetzt nur noch ein gigantischer, dunkler Fleck, auf dem die Schaumkronen im Sternenlicht glitzerten. Kalkbrenner machte vereinzelte Sternbilder aus: den Großen Wagen, den Steinbock und die Jungfrau. Seine Mutter hatte sie ihm gezeigt und ihre in der griechischen Mythologie wurzelnden Geschichten erzählt, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Für einen Moment dachte Kalkbrenner an Käthe Maria. Wie es seiner Mutter wohl gerade ging?
    Vereinzelt waren am Horizont Frachter zu erkennen. Die Kabinenlichter folgten gleichförmig einem unbekannten Ziel. Alle paar Sekunden blitzten die Signalleuchten der beiden Leuchttürme auf den Wellenbrechern vor Warnemünde auf. Der sanfte Wind trug das Rauschen der Brandung über die Dünen.
    Als der Kellner abräumte, orderten sie jeder ein weiteres Bier, und Hubertus holte das Schachbrett aus Ahorn und Ebenholz hervor. Sein ganzer Stolz waren die Figuren, die im berühmten Staunton-Format gearbeitet waren. Ersteigert hatte er alles bei
eBay,
wobei er den Namen »ebai« aussprach. Auch wenn Hubertus sich jung fühlte, an die anglizistischen Gepflogenheiten des Internetzeitalters mochte er sich nicht mehr gewöhnen.
    Sie bekamen ihr Bier und stießen miteinander an. »Auf das Leben am Meer«, sagte Kalkbrenner.
    »Auf den Urlaub«, erwiderte Hubertus.
    »Es ist mehr als ein Urlaub.«
    »So?«
    Als Kalkbrenner sein Geld zusammengekratzt und sich mit Bernie in den kleinen Bungalow der Warnemünder Feriensiedlung zurückgezogen hatte, war es ihm wie eine Flucht vorgekommen. Flucht wovor eigentlich? Er wertete es als ein positives Zeichen, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte oder wollte. Wie auch immer.
    Stattdessen dachte er an das Telefonat mit Jessy zurück und an das innige Vatergefühl, das ihn neuerdings mit ihr verband. Selbst die Beziehung zu Ellen, seiner Frau, mit der er seit einem Vierteljahr in Scheidung lebte, war von einem freundschaftlichen Umgang geprägt. Er hatte seine Tochter nicht belogen. Es ging ihm gut.
    »Irgendwie ist es auch ein Neubeginn.«
    Hubertus hob das Glas: »Na dann, auf den Neuanfang.«
    Guter Dinge machte Kalkbrenner mit seinem weißen Springer den ersten Zug.
    Anderthalb Stunden später war sein Optimismus, das Spiel diesmal zu seinen Gunsten entscheiden zu können, schwer angeschlagen. Es stand nicht gut um seine Läufer. Sogar der König war durch die schwarze Dame bereits in Gefahr.
    »Ich kann’s nicht glauben!« Gegen Hubertus’ Raffinesse war einfach kein Kraut gewachsen.
    Der Rentner wackelte schelmisch mit dem Kopf. »Ist gar nicht so lange her, da meinte jemand, Glaube könne Berge versetzen.«
    Kalkbrenner stöhnte auf. »Das nennt man dann wohl schachmatt.«
    »Das hängt ganz von deinem nächsten Zug ab.«
    Kalkbrenner nippte unschlüssig an seinem Bier und studierte das Spielfeld.
    »Noch ist nicht alles verloren«, versicherte Hubertus.
    Kalkbrenner wog die Schritte der verbliebenen Figuren ab. Sollte er den Bauern ziehen? Den Turm opfern?
    Hubertus räusperte sich. »Ich will dich ja nicht in deinem unzweifelhaft bedeutsamen Gedankengang unterbrechen, schließlich sollst du mir nicht vorwerfen können, ich hätte dich abgelenkt.« Kalkbrenner blickte auf. »Aber das ist dein Telefon.«
    Erst jetzt nahm Kalkbrenner das gedämpfte Klingeln zur Kenntnis, das aus seiner Jackentasche drang. Er schaute auf seine Armbanduhr. 21.46 Uhr. In den zurückliegenden Wochen hatte ihn nie jemand so spät am Abend angerufen. Er holte das Handy hervor. Das Display zeigte nur
Unbekannter Teilnehmer
an
.
    Er drückte die grüne Taste. Schon nach dem ersten Wort wusste er, wer am anderen Ende war. »Kalkbrenner? Sind Sie das? Wir brauchen Sie!«

5
    Von Hirschfeldt war kaum von der Bühne gestiegen, um

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