Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
von Hirschfeldt. »Ging es um Lars?«
»Wie bitte?«
»In dem Gespräch mit Elisabeth. Wollte sie wissen, was mit meinem Sohn ist?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Erst fragt sie mich nach Lars, und dann spricht sie mit dir unter vier Augen. Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen.«
Von Hirschfeldt zögerte mit der Antwort. »Sie hat sich beschwert, dass wir uns für den heutigen Tag die Scorpions als Band ausgesucht haben.«
»Hä?«
»Die haben nämlich bereits für ihren sozialdemokratischen Vorgänger den
Wind of Change
eingeläutet.«
»Nicht wirklich, oder?«
Von Hirschfeldt brach in schallendes Gelächter aus. »Nein, natürlich nicht.«
»Und was wollte sie dann?«
Von Hirschfeldt wurde wieder ernst. »Darüber, mein Freund, reden wir später.«
6
Kalkbrenner verspürte wenig Lust auf dieses Gespräch. Trotzdem nahm er das Handy ans Ohr. »Glückwunsch zur Beförderung.«
»Das wissen Sie schon?«, fragte Dr. Dietmar Salm.
Trotz aller Abgeschiedenheit in seinem Bungalow hatte Kalkbrenner von dem Karrieresprung seines Vorgesetzten erfahren. Dr. Salm war nicht länger stellvertretender, sondern nun erster Dezernatsleiter. »Hab davon in der Zeitung gelesen.«
»Dann wissen Sie sicherlich auch über den Mord an der Berthold-Hauptschule Bescheid.«
»Hab einen Artikel überflogen.«
»Schön«, konstatierte Dr. Salm. »Sie sind also im Bilde. Über den Rest kann Sie der Kollege Berger unterrichten.«
»Was versuchen Sie mir gerade mitzuteilen?«
Ungeduldig schnaufte es aus dem Motorola. »Ich kann wirklich nichts dafür. Sie wissen doch, unsere Personaldecke ist einfach zu dünn. Wir brauchen jeden Mann. Und jetzt erst recht.«
In Kalkbrenners Magen begann es zu rumoren. Er lenkte sich mit dem Betrachten des Schachbretts ab. Weiße Figuren. Der Turm. Seine Läufer. Manchmal war es gut, einfach davonzulaufen. »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Kalkbrenner, Sie werden den Fall übernehmen. Die Anweisung kommt von ganz oben. Vom Polizeipräsidenten.« Dr. Salm nieste. Vielleicht war es aber auch ein Lachen, genau war das nicht auszumachen, weil gerade ein Windstoß über die Terrasse der
Wilhelmshöhe
fegte. Klackernd fielen einige der Schachfiguren um. »Sie wissen doch, am nächsten Wochenende sind Senatswahlen. Und wie es aussieht, wird es einen Regierungswechsel in Berlin geben.«
»Verstehe«, sagte Kalkbrenner und verstand gar nichts. Hubertus setzte die gestürzten Schachfiguren auf ihre alten Positionen zurück. Den weißen Bauern stellte er zuletzt auf. »Aber was hat das mit mir zu tun?«
Salm räusperte sich. »Die Sorge über die Ausbreitung der Jugendkriminalität in Berlin wächst. In einigen Vierteln, so heißt es, hat die Polizei die Kontrolle über die Situation verloren. Mag sein, dass vieles davon nur Polemik im Wahlkampf ist. Aber die Medien greifen es begierig auf. Wir und unsere Arbeit stehen nicht gut da. Erst recht nicht nach der unangenehmen Sache in Neukölln.«
»Verständlich.«
»Dann werden Sie sicherlich nachvollziehen können, dass der Regierungswechsel uns einen neuen Innensenator bringen wird.« Er gab Kalkbrenner einige Sekunden, diese Information zu verarbeiten. »Ich hatte vorhin ein vertrauliches Gespräch mit dem Polizeipräsidenten«, er räusperte sich erneut, »der übrigens mein Schwager ist, wussten Sie das?«
»Nein.«
»Er will wie wir alle natürlich dabei sein, wenn die CDU neue Wege in der Berliner Innenpolitik beschreitet. Sie doch sicherlich auch, oder? Es ist also wichtig, dass wir den Fall möglichst noch vor Amtsantritt des neuen Innensenators zu den Akten legen können.«
»Mhm« war das Einzige, was Kalkbrenner über die Lippen brachte. Er kam sich wie eine Schachfigur vor, die irgendjemand irgendwo platzieren wollte, um seine ganz eigenen Ziele zu erreichen. Man hatte ihn schon einmal als Bauernopfer benutzt.
Er trank einen Schluck vom Jever. Es schmeckte jetzt bitter und abgestanden. Hubertus nickte ihm geduldig zu. Kalkbrenner schaute auf das Schachfeld. Manchmal war ein Bauernopfer aber auch die einzige Lösung. »Wieso glauben Sie, ich könnte Ihnen bei der Suche nach den beiden Schülern besser helfen als Berger?«
Es raschelte vernehmbar am anderen Ende der Leitung. »Mal ganz davon abgesehen, dass wir die beiden Verdächtigen noch immer nicht gefasst haben …«
»Verdächtige?«
»Das versuche ich Ihnen ja die ganze Zeit zu erklären. Es gibt da einige Ungereimtheiten. Es würde zu weit führen, es Ihnen
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